Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger räumt bei
Deutschlands größtem deutschen Stahlkonzern auf: Ohne Rücksicht auf
Verluste – im wahrsten Sinne des Wortes – hat er im abgelaufenen
Geschäftsjahr fast drei Milliarden Euro abgeschrieben. Dabei muss
sich der frühere Siemens-Manager vor allem mit Problemen
auseinandersetzen, die ihm sein Vorgänger Ekkehard Schulz
hinterlassen hat: Die Edelstahl-Sparte kämpft seit längerem mit
strukturellen Problemen. Und die neuen Stahlwerke in Brasilien und
den USA, die Schulz gegen viele Widerstände durchgesetzt hatte, haben
gigantische Verluste angehäuft. Hiesinger hat diese Schwächen
schonungslos aufgedeckt und einen Befreiungsschlag eingeleitet.
Auch wenn die Anleger schockiert auf die überraschend gestern
schon vorgelegten Zahlen reagiert haben, so bleibt Hiesinger keine
andere Wahl. Bislang hatte der Konzern vor allem die Probleme in
Brasilien und in den USA kleingeredet. Doch der seit knapp einem Jahr
amtierende Vorstandschef hat es sich zum Ziel gesetzt, den riesigen
Schuldenberg von 3,6 Milliarden Euro abzutragen, den der Konzern
angehäuft hat. Gleichzeitig will er vor allem die zukunftsträchtige
Sparte Technologie stärken und ausbauen. Das wird nur gelingen, wenn
er die Altlasten im Konzern in den Griff bekommt – und sich auch
finanziell Luft verschafft.
Die Milliardenverluste in der Bilanz sind aber auch Wasser auf die
Mühlen derjenigen, die schon lange die Entwicklungen in Brasilien und
den USA scharf kritisieren. Wegen der gigantischen Ausgaben und
Pannen dort musste der Konzern nämlich schon seit geraumer Zeit an
anderen Stellen sparen. Damit habe der alte Vorstand schlichtweg
Wachstums-chancen in anderen Sparten nicht ergreifen können, lautet
der berechtigte Vorwurf.
Das will Hiesinger nun ändern. Die Technologie-Sparte soll
ausgebaut, Problemfelder wie Nirosta sollen dagegen abgestoßen
werden. Ein an sich schon ehrgeiziger Plan. Die nachlassende
Nachfrage nach Stahl und die sich eintrübende Konjunktur dürften
diese Ziele noch ambitionierter machen. Angesichts der Turbulenzen in
Europa wagt der Vorstandschef noch nicht einmal eine Prognose für das
laufende Jahr. Er stellt sich aber auf Rückschläge ein. Das macht
seinen Handlungsspielraum noch enger.
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