Westdeutsche Zeitung: Von grünen Tischen und der Realität Ein Kommentar von Horst Kuhnes

Die Nachricht ist auf jeden Fall eine
Schlagzeile wert: Die Schwarzarbeit in Deutschland wird 2012 auf den
niedrigsten Stand seit 18 Jahren sinken. Herausgefunden – oder
besser: hochgerechnet – haben das zwei durchaus renommierte
Wirtschaftswissenschaftler und Schattenwirtschaftsexperten.

Die Professoren Friedrich Schneider (Universität Linz) und
Friedrich Boockmann (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung,
Tübingen) haben für ihre These auch nachvollziehbare Gründe: Sei es
die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt und das allgemeine
Wirtschaftswachstum, sei es der sinkende Beitrag zur gesetzlichen
Rentenversicherung oder auch der Rückgang beim
Bargeld-Umlaufvermögen. An solchen Kennzahlen, Faktoren und
Indikatoren orientieren sich Schneider und Boockmann bei ihren
makroökonomischen Modellschätzungen, die notgedrungen sozusagen am
grünen Tisch erfolgen. Denn Umfang und Umsätze in der
Schattenwirtschaft sind eben nicht direkt messbar, denn sie finden im
Verborgenen statt.

Die Studie, die sich selbst auch ausdrücklich auf
makroökonomischer – also gesamtwirtschaftlicher – Ebene bewegt, muss
deshalb mit einer gewissen Zurückhaltung betrachtet werden. Denn im
großen Gesamtbild kann sich in Details die eine oder andere
Fehlabbildung einschleichen – so, als ob man vor lauter Wald die
Bäume nicht mehr sieht.

Das gilt möglicherweise auch für dieses prognostizierte
rekordträchtige Absinken der Schwarzarbeit. Denn diejenigen, die
gleichsam von Berufs wegen potenziellen Schwarzarbeitern auf der Spur
sind, nämlich die örtlichen Gewerbeaufsichtsämter und die bundesweit
arbeitenden Fahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, haben andere
Erkenntnisse. Auf ein Absinken gebe es keine Hinweise, heißt es
übereinstimmend von lokaler Ebene bis hinauf zur
Bundesfinanzdirektion.

Messbar sind in der Tat nur die Ergebnisse der Ermittlungen, etwa
die durch Schwarzarbeit entstandenen Schadenssummen bei Kranken- und
Sozialversicherungen. Und die sind von 2007 bis 2010 stetig gestiegen
– von 561 Millionen Euro auf 710 Millionen Euro. Schwarzarbeit ist
letztlich ein Kontroll-Delikt: Je mehr Kontrollen es gibt, desto mehr
Fälle werden entdeckt.

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