Raimund Becker hat Recht. Der Vorstand der
Bundesagentur für Arbeit spricht sich dafür aus, dass langfristig
alle Anreize gestrichen werden müssen, die den vorzeitigen Ruhestand
schmackhaft machen. Der mag für den einzelnen verlockend sein, für
die Gesellschaft ist er auf Dauer eine Gefahr. Seit Jahr und Tag
finanzieren Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Steuerzahler über
Versicherungsprämien und Abgaben mit Milliarden von Euro, dass Leute
früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Das hat Sinn in einer Zeit,
in der Millionen von Arbeitsfähigen keine Anstellung finden können.
In solchen Phasen ist es zwingend, dass ältere Beschäftigte
Berufsanfängern Platz machen. Aber diese Zeiten neigen sich spürbar
ihrem Ende zu. Die Arbeitslosenquote in Deutschland sinkt. Und das
hat nicht nur damit zu tun, dass die Statistiken längst nicht mehr
alle Suchenden erfassen. Es ist einfach mehr Arbeit da für weniger
Leute. Der viel zitierte demografische Wandel beginnt zu wirken.
Deutschland schrumpft, gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der
Bevölkerung. Die Konsequenz daraus kann nur sein, was Becker nun
fordert. Schluss mit der Finanzierung von Vorruhestand, Schluss mit
Altersteilzeit und sonstigen Modellen für den fast schonenden
Übergang ins Rentendasein. Selbstverständlich muss es auch dafür
Ausnahmen von der Regel geben. Niemand wird einem Maurer, Möbelpacker
oder Fliesenleger zumuten wollen, mit 65 Jahren noch Schwerstarbeit
zu leisten. Aber Altsein heißt auch in diesen Berufen nicht wertlos
sein. Erfahrung und Wissen sind ein hohes Gut, von dem die Jungen
profitieren können. Dazu muss die Erfahrung allerdings auch
nachgefragt werden. Und das ist die Aufgabe der Unternehmen.
Facharbeitermangel zu beklagen, ist das eine. Das andere ist, daraus
die richtigen Schlüsse zu ziehen. Heute 55-Jährige sind nicht alt und
nicht grundsätzlich krank. Sie haben noch zehn Berufsjahre vor sich.
Und sie haben Qualität. Wenn mehr Unternehmer ältere Arbeitnehmer
beschäftigen, tun sie erstens der Gesellschaft einen Gefallen und
zweitens sich selbst: Die Gesellschaft braucht dann nicht mehr
Vorruhestand und Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren. Und den
Unternehmen gehen die Facharbeiter langsamer aus.
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