Westdeutsche Zeitung: Wenn der Krieg nicht mehr endet Ein Kommentar von Peter Lausmann

Über viele Jahre hat die Bundesregierung den
Einsatz in Afghanistan allein als humanitäre Mission verkauft. In der
offiziellen Darstellung waren die deutschen Soldaten zum
Brunnenbohren und Schulenbauen im Norden des Landes. Krieg schien
allein die Sache der Amerikaner und Briten. Es war deshalb auch dann
nicht politisch opportun von „Gefallenen“ zu sprechen, als der Krieg
die Bundeswehr schon längst erreicht hatte. Regierung und Bundestag
redeten die Gefahr klein, bis es nicht mehr ging. Und ignorierten
damit auch die psychischen Folgen, die der Kriegseinsatz für die
Soldaten hat. Deshalb mussten erst zwölf Jahre Krieg vergehen, bis
eine umfassende Studie zu psychischen Erkrankungen der Soldaten vor
und nach dem Einsatz erstellt wurde.

Diese politisch motivierte Nachlässigkeit hat viele Erkrankungen
erst möglich gemacht. Denn für viele Soldaten gibt es Gründe, in den
Einsatz zu gehen, obwohl sie wissen, dass sie psychische Probleme
haben. Sie sehen ihn offenbar als Chance, sich zu beweisen und
Depression und Ängste zu überwinden. Doch die Dresdner Studie zeigt,
dass diese Rechnung nicht aufgeht. Die Erfahrungen in Bosnien, im
Kosovo und Afghanistan sind nur schwer zu verkraften. Vor allem, weil
Krieg, Tod und Armut zum Alltag im Einsatzgebiet gehören. Die
Realität im Einsatz ist um ein Vielfaches schlimmer als es in
Deutschland wahrgenommen wird.

Zugleich scheuen sich viele Erkrankte, zum Arzt zu gehen. Sie
fürchten den Karriereknick und ebenso, ausgerechnet in der Gruppe
stigmatisiert zu werden, in der man sich im Bezug auf die Erfahrungen
im Einsatz noch verstanden fühlt: der Bundeswehr selbst. Entsprechend
holen sich Betroffene erst dann aus eigenem Antrieb Hilfe, wenn die
Not unerträglich geworden ist und die Krankheit sich längst
verschlimmert hat.

Wo aber Soldaten nicht von selbst zum Arzt kommen, muss der
Dienstherr handeln – durch bessere und häufigere Untersuchungen,
durch eine nicht nur formelle Anerkennung und Enttabuisierung
psychologischer Erkrankungen, durch erheblich bessere Betreuung der
Betroffenen. Und vor allem dadurch, dass künftig bei
Auslandseinsätzen von Beginn an Klartext geredet wird. Auch von der
Politik.

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