Westdeutsche Zeitung: Westdeutsche Zeitung zu: Lokführer-Streiks

Von Annette Ludwig

Sollte der Chef der GDL, Claus Weselsky, die Lokführer tatsächlich
in dieser Woche zu einem Megastreik aufrufen – und es sieht ganz
danach aus – dann dürfte sich der Machtmensch endgültig aufs
Abstellgleis manövrieren. Selbst den letzten verbliebenen
Sympathisanten dürften die Argumente ausgehen, warum dieser Streik
noch notwendig ist. Offenbar hat sich die Bahn in den jüngsten
Spitzengesprächen selbst in dem umstrittenen Punkt der
Verhandlungsmacht für die Zugbegleiter auf die GDL zubewegt. Doch
kurz vor dem erhofften Durchbruch machte GDL-Chef Weselsky offenbar
einen Rückzieher und ließ die Gespräche platzen. Eine Taktik, die er
bereits bei den Tarifverhandlungen 2012 mit der Bahn praktiziert hat.
Dieses Vorgehen hat nichts mehr mit klassischen Tarifverhandlungen zu
tun, nichts mit der Frage nach mehr Lohn, und inzwischen wohl auch
nichts mehr mit der Frage, ob die GDL auch für Zugbegleiter
verhandeln darf. Hier geht es einzig und allein darum, ob der
egozentrische Herr Weselsky seine Alles-oder-nichts-Denke durchsetzen
kann. Dass am Ende von Verhandlungen in der Regel ein Kompromiss
steht, scheint für ihn ausgeschlossen. Dieser Mann, der von sich
selbst sagt, es sei „beeindruckend, Macht zu haben“, missbraucht eben
jene. Er schadet damit nicht nur dem Ansehen der Lokführer, sondern
dem Ansehen der Gewerkschaften in Deutschland insgesamt. Selbst der
Chef der IG Metall, Detlef Wetzel, nennt das Vorgehen der GDL
„undemokratisch“ und spricht vom „Tod der Gewerkschaftsbewegung“. Und
Weselsky missbraucht für sein Ansinnen obendrein Millionen von
Bahn-Kunden, die bei den Streiks auf der Strecke bleiben. Es sieht
ganz danach aus, als dass die GDL auch deshalb so kompromisslos nach
vorne prescht, weil die Bundesregierung das Gesetz zur Tarifeinheit
auf den Weg bringt. Also wollen sich die Lokführer noch schnell die
Verhandlungsmacht für die Zugbegleiter sichern, bevor das Gesetz da
einen Riegel vorschiebt. Dieses Kalkül könnte sogar aufgehen, leider.
Denn offenbar ist weit und breit kein Mensch in Sicht, der Claus
Weselsky jetzt noch zum Einlenken bringen könnte.

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