Der Tag nach dem Berliner Wahl-Debakel für die
FDP wird Angela Merkel noch lange in unliebsamer Erinnerung bleiben.
Sollte die Bundeskanzlerin gehofft haben, dass das
1,8-Prozent-Desaster Philipp Rösler den FDP-Vorsitz kostet, dann hat
sie sich getäuscht. Anders als nach solchen Debakeln üblich, haben
die Liberalen nicht die Messer gewetzt, forderten keine personellen
Konsequenzen an der Spitze und stärkten dem glücklosen Rösler
demonstrativ den Rücken. Der wiederum delegierte einen Großteil der
Schuld am schlechten Wahlergebnis in der Bundeshauptstadt an die
Berliner Liberalen. Die hätten auf der Zielgeraden zur Wahlurne allzu
Euro-kritische Plakate geklebt.
Diese Erklärung reicht den Liberalen offenbar, ihren Vorsitzenden
und Wirtschaftsminister geradezu verdächtig einhellig zu stützen.
Etwas anderes bleibt der FDP aber auch gar nicht übrig. Sie hat in
der Koalition mit der Union und angesichts der aktuellen Themenlage
ihr Profil verloren. Forderungen nach Steuersenkungen sind
angesichts von horrenden Staatsschulden beim Bürger nicht
mehrheitsfähig. Die Wirtschaft funktioniert derzeit auch ohne Antrieb
aus der Politik. Und weder bei den Bürgerrechten noch in der
Rechtsprechung gibt es derzeit viele Gelegenheiten für die FDP zu
punkten. Die Finanzkrise und die drohende Pleite Griechenlands
überlagern alles.
In dieser Frage hat Rösler seine Partei jetzt positioniert. Dass
er dabei die Kanzlerin düpierte und deren Gewicht in den Gesprächen
mit den Partnerstaaten in der EU schwächte, nahm der Vizekanzler
billigend in Kauf. Seine Parteifreunde folgen ihm. Selbst die Basis
nimmt das Berlin-Debakel mit Langmut hin. Noch.
Rösler hat das Glück, dass die nächste Landtagswahl erst im Mai
2012 stattfindet. Bis dahin hat er Zeit, seine Partei wieder auf Kurs
zu bringen. Fällt die FDP aber auch in Schleswig-Holstein aus dem
Landtag, wo der lautstarke Wolfgang Kubicki die liberalen Farben
vertritt, dann könnte es allerdings eng werden für den jungen
Vorsitzenden.
Angela Merkel hätte dann aller Voraussicht nach immer noch gut ein
Jahr Zeit, um ihre Wiederwahl zu kämpfen – ohne einen aufmüpfigen
Partner, der den Nachweis seines großen politischen Talents bisher
schuldig geblieben ist.
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