Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Bürgerschaftswahlen in Bremen

Bremen hat wie erwartet gewählt. Der SPD-Sieg
ist keine Überraschung, wohl aber eine Leistung. Der sehr beliebte
Bürgermeister Jens Böhrnsen kann weiter regieren. Doch wieder sind es
weniger die eigenen Zugewinne, sondern vor allem die herben Verluste
der CDU und der FDP, die die SPD jubeln lassen. Groß wird der Erfolg
– auch das kennt man schon von den jüngsten Landtagswahlen – erst in
der Addition mit dem Resultat des alten und neuen Koalitionspartners.
Die Grünen erzielen erneut ein Rekordergebnis. Es kommt einem Triumph
gleich, dass die in Bremen traditionell starke Ökopartei noch einmal
so kräftig zugelegt und die CDU hinter sich gelassen hat. Der Trend
ist stabil, der Zeitgeist weiter grün. Für die FDP kam die Wahl mit
Blick auf die jüngsten Personalrochaden zu früh. Dem neuen
Vorsitzenden Philipp Rösler wird man den abermaligen Absturz nicht
ernsthaft ankreiden können. Eine Wunderheilung indes ist ihm nicht
gelungen. Die Liberalen fliegen aus der Bürgerschaft, und der
härteste Teil der Aufbauarbeit steht Rösler erst noch bevor. Am
schwersten trägt freilich die CDU am Bremer Ergebnis. Das
schlechteste Abschneiden seit 1959 und nur noch dritte Kraft hinter
den Grünen – das ist ein Debakel, an dem es nichts schönzureden gibt.
Genau das aber hatte Wolfgang Bosbach schon im Vorfeld der Wahl
versucht. Wohl in düsterer Vorahnung befand er: »Es ist natürlich
bitter, wenn die CDU in Bremen auf dem dritten Platz landet, aber es
ist keine Katastrophe.« Was soll es denn aber bitte sonst sein, wenn
die CDU, die für sich in Anspruch nimmt, die einzige verbliebene
Volkspartei zu sein, solch eine Abfuhr kassiert? Die vorauseilende
Verharmlosung des Bremer Ergebnisses zeigt, wie schwierig die Lage
der Union ist. Seit der Bundestagswahl 2009 hat die CDU die
Regierungsmacht in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg und in
Baden-Württemberg verloren. In Rheinland-Pfalz blieb man trotz eines
Achtungserfolgs in der Opposition. Lediglich in Sachsen-Anhalt konnte
die CDU das Amt des Ministerpräsidenten verteidigen. Blickt man auf
die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, so braucht es
schon mittelgroße Wunder, um diese Serie von Misserfolgen zu brechen.
Damit geht ein schleichender Machtverlust einher, der der CDU beinahe
ebenso zu schaffen machen dürfte wie die schwache Bilanz der
schwarz-gelben Berliner Koalition nach gut eineinhalbjähriger
Regierungszeit. Dass Angela Merkel personell keinen Herausforderer,
ja nicht einmal einen echten Widerpart in den eigenen Reihen hat,
macht die Sache für die Union keineswegs besser. Zu groß ist die
Last, die auf ihren Schultern liegt, zu eindimensional die
Ausrichtung der Partei. Die selbst verordnete Ruhe in der Union ist
trügerisch. Nach dem Superwahljahr 2011 steht 2012 nur eine
Landtagswahl an. Spätestens wenn im nächsten Mai in
Schleswig-Holstein wieder eine schwarz-gelbe Landesregierung
abgewählt wird, dürfte es mit allen Beschwichtigungsversuchen
schlagartig vorbei sein.

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