Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Frank-Walter Steinmeiers Bemühungen in der Ukraine-Krise

Der Konflikt um die Ukraine ist die große
Bewährungsprobe für Frank-Walter Steinmeier. Obwohl der
Bundesaußenminister bei Wladimir Putin persönlich sehr wahrscheinlich
wenig ausrichten kann, nimmt ihn die Wahlbevölkerung als deutschen
Sachwalter in der Krim-Krise wahr. Seine Bedeutung nimmt zu, das
dürfte sich auch in den nächsten Beliebtheitsumfragen zeigen. Der
58-jährige Lipper ist der Mann, der zumindest das Zeug hat, Ängste
vor einem neuen Kalten Krieg einzudämmen. So wie Angela Merkel die
Frau ist, die in der Eurokrise als Stabilitätsfaktor wirkt. Schon vor
der Ukraine-Krise hat die Kanzlerin zum zweiten Mal in Folge nicht
mehr den ersten Platz belegt, als die Demoskopen von Infratest bei
1008 Bundesbürgern die Sympathiewerte der wichtigsten deutschen
Politiker abgefragt haben. Spitzenreiter im März mit 74 Prozent
Zustimmung für seine Arbeit ist Frank-Walter Steinmeier. Vom Beginn
der Regierungsbildung bis zum Zeitpunkt der Umfrage hat der 2009 noch
grandios gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat um 21 Punkte zugelegt. Ein
bemerkenswerter Sprung nach vorn, der nicht ungewöhnlich ist, aber
genauer Betrachtung bedarf. Spätestens seit Walter Scheel und
Hans-Dietrich Genscher (beide FDP) garantiert das Amt des
Bundesaußenministers viel Popularität. Wer Deutschland international
– neben dem Kanzler oder der Kanzlerin – vertritt, gewinnt
automatisch an Charisma und Bedeutung. Das traf und trifft auch auf
eher blasse Politiker-Typen wie Klaus Kinkel (FDP) oder eben
Steinmeier (SPD) zu. Ausnahmen bestätigen die Regel: Guido
Westerwelle (FDP) konnte vom Amt nicht profitieren. Mit seinem Start
im Außenministerium am 28. Oktober 2009 blieb er bis 2011
Bundesvorsitzender seiner Partei und musste sich in dieser Funktion
zu innenpolitischen Themen erklären. Ein Fehler. Denn deswegen nahm
ihn die Öffentlichkeit in erster Linie nicht als Deutschlands ersten
Diplomaten wahr, sondern als FDP-Chef. Nach Westerwelles profilarmer
Amtsführung – die natürlich auch der Tatsache geschuldet war, dass
die wichtigen Entscheidungen in der Europapolitik im Kanzleramt
getroffen wurden – schickt sich Steinmeier nun an, den Amtsbonus für
sich zu nutzen und Außenpolitik aktiver zu gestalten als sein
Vorgänger. Das kommt offenbar gut an. Allerdings ist noch unklar,
welche Rolle Steinmeier bei den Verhandlungen der drei
EU-Außenminister mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Janukowitsch
unmittelbar vor dessen Entmachtung gespielt hat. In diesen Tagen und
Wochen wird der Außenminister beweisen müssen, dass sein Amt zu mehr
taugt, als in der Popularitätsskala ganz oben zu stehen. Es geht um
nichts weniger als um Sicherheit und Wohlstand in Europa. Heute und
in Zukunft.

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