Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Geldpolitisch ist es in Europa die Zeit der
Tabubrüche. Noch vor kurzem gehörte es sich einfach nicht, dass
Finanzpolitiker im Amt über eine Staatspleite Griechenlands laut
nachdenken. Jede Äußerung in der Richtung hätte automatisch die Lage
Athens verschärft. Dass Wirtschaftsminister Philipp Rösler und
Finanzminister Wolfgang Schäuble jetzt alle Rücksicht fallen lassen
und eine Insolvenz Griechenlands nicht mehr ausschließen, zeigt, wie
ernst die Lage ist. Die Verschuldung zurückführen und zugleich die
Konjunktur ankurbeln ist eine Aufgabe, die sogar Sisyphos zur
Verzweiflung gebracht hätte. Sie wird nicht einfacher, wenn
Griechenland zur alten Währung zurückkehrt. Und weil die EU
Griechenland nicht einfach abschreiben kann, wird es auch kaum
billiger. Warum soll Athen dann überhaupt aussteigen? Es gibt nur
eine egoistische Antwort: um den Euro zu schützen. Weiße Tauben aus
Athen gurren es schon von römischen und Madrider Dächern: Wenn es
hart kommt, zahlen die anderen unsere Schulden mit. Dann zählt
Politik – nicht Vertragsinhalt. Berlin und Paris haben es vorgemacht,
als sie die Messlatte bei der Verschuldung rissen. Das war der erste
Tabubruch.

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