Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Hochtief/ACS

ACS übernimmt

Hochtief spricht bald spanisch Von Wilfried Schnitker Die Hoffnung
stirbt bekanntlich zuletzt. Doch die Chancen, dass der größte
deutsche Baukonzern Hochtief noch lange von Essen aus gesteuert wird,
werden immer geringer. Der spanische Konkurrent ACS hat nach eigenen
Angaben seinen Aktienanteil auf mehr als 30 Prozent aufgestockt.
Auch das ist Marktwirtschaft, wenn ein bis über beide Ohren
verschuldetes Unternehmen wie ACS noch soviel Geld auftreiben kann,
um sich auf Pump ein gesundes Unternehmen wie Hochtief
einzuverleiben. Ob die Beruhigungspillen, die ACS-Chef Florentino
Perez nach Deutschland geschickt hat, bitter oder süß schmecken,
werden vor allem die 66 000 Hochtief-Mitarbeiter (davon 11 000 in
Deutschland) spätestens in zwei Jahren sagen können, wenn sie dann
noch im Unternehmen sind. Versprechungen gab es reichlich. Hochtief
soll selbstständig bleiben, Personal wird nicht abgebaut, ein
Beherrschungsvertrag sei nicht angestrebt. Was sind die Erklärungen
wert? Nichts, solange keine rechtsgültigen Verträge geschlossen
wurden. Alles spricht für den Plan, dass sich ACS mit dem Vermögen
aus Essen langfristig sanieren will. Mehr Klarheit wird spätestens am
Abend des 12. Mai herrschen. Bei der anstehenden
Hochtief-Hauptversammlung werden die Spanier beweisen wollen, wie
stark ihr Einfluss durch weiteren Aktienkauf wirklich ist. ACS wird
versuchen, dann den Aufsichtsrat mit eigenen Leuten zu verstärken,
der im Vorstand die Kräfte vor die Tür setzen wird, die bis zuletzt
die Abwehrschlacht organisiert hat. Der Widerspenstigen Zähmung –
frei nach Shakespeare – droht dies dann ziemlich schnell auch Herbert
Lütkestratkötter. Der Hochtief-Vorstandschef, der in Langenberg
(Kreis Gütersloh) geboren wurde, hat alles versucht. Das Unternehmen
hat gut gefüllte Auftragsbücher, erwirtschaftet solide Gewinne,
verfügt über ein stattliches Vermögen – und das genau ist der Grund,
warum Hochtief so begehrt ist. Das deutsche Unternehmen hatte nur
einen Schönheitsfehler: Der Aktienkurs stand nicht hoch genug. Die
Gefahr, sich an der Übernahme zu verschlucken, war für Interessenten
geringer, als die Aussicht, sich mit Hochtief sanieren zu können. Nur
das macht aus Sicht der Spanier Sinn. ACS setzt doch nicht die eigene
Existenz aufs Spiel, um dann alles beim alten zu belassen. Auf Hilfe
von deutschen Politikern kann Hochtief nicht setzen. Das Aktienrecht
ist eindeutig geregelt. Möglichkeiten hätte es vermutlich gegeben.
Vor drei Jahren hatte der deutsche Energieriese Eon versucht, den
spanischen Stromanbieter Endesa zu übernehmen. Vergebens. Die Spanier
haben zusammengehalten. Wirtschaft, Justiz und Regierung haben sich
mit Händen und Füßen gewehrt, ließen sich selbst von Drohgebärden der
EU aus Brüssel nicht schrecken und waren damit erfolgreich. Nationale
Interessen stehen an erster Stelle – in vielen EU-Staaten, nur nicht
in Deutschland.

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Andreas Kolesch
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