Die vier beteiligten Parteien müssen aufpassen, 
dass die Sondierungsgespräche nicht zur Farce werden. Dazu fehlt 
nicht mehr viel. Wenn es reicht, dass die Grünen eine ohnehin 
unrealistische Jahreszahl aufgeben, um Bewegung in die 
Verhandlungsrunde zu bringen, dann fragt man sich: Was haben die da 
bislang eigentlich gemacht? CDU, CSU, FDP und Grüne sind gerade 
dabei, den Bogen zu überspannen. Dieses bizarre Schauspiel mit 
monarchisch anmutenden Balkonbildern hat das Zeug, das letzte 
bisschen Vertrauen wohlmeinender Bürger in die politische Klasse zu 
zerstören. Schon als Angela Merkel Mitte August das Ende des 
Verbrennungsmotors einen »richtigen Ansatz« genannt hatte, deuteten 
einige Grüne an, dass es auf den verbindlichen »Einstieg in den 
Ausstieg« ankomme und weniger auf ein fixes Datum. Auf Druck der CSU 
sagte Merkel Ende August: »Den Diesel wird es noch viele, viele Jahre
geben, genauso wie den Verbrennungsmotor.« Es ist richtig, dass 
Maximalforderungen Kompromisse leichter machen, zumindest in der 
Theorie der Verhandlungsführung. Aber weite Teile der grünen Basis 
sind in Sachen Klima überhaupt nicht zu Kompromissen bereit. Das weiß
Jürgen Trittin. Der ehemalige Bundesumweltminister hat jüngst 
gefordert, die 20 emissionsstärksten Kohlekraftwerke sofort 
abzuschalten, damit Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2020 
einhalten kann. Das wird natürlich nicht passieren, auch nicht mit 
den Grünen in einer Jamaika-Koalition. Das haben die Einlassungen der
Grünen-Spitze zu Auto und Kohle gestern ziemlich deutlich gemacht. 
Damit haben sich die Grünen als erste der vier Parteien substanziell 
bewegt – und einiges riskiert. Ob das klug gewesen ist, wird sich 
zeigen. Jedenfalls hat ihre Stammklientel in Form der 
Umweltschutzorganisation Greenpeace sofort reagiert und der 
Öko-Partei »Hasenfüßigkeit« vorgeworfen. Taktisch könnte sich die 
Kompromissbereitschaft bei grünen Kernthemen als schwerer Fehler 
erweisen. Nämlich dann, wenn am 25. November beim Parteitag in Berlin
die Delegierten mehrheitlich entscheiden sollten, dass die Grünen 
nicht in formelle Koalitionsverhandlungen gehen. Katrin 
Göring-Eckardt und Cem Özdemir haben zumindest gestern von CSU und 
FDP noch keine Belohnung für ihr Entgegenkommen erhalten. Dass 
FDP-Chef Christian Lindner im Gegenzug auf eine Steuerentlastung 
verzichtet, die ohnehin nicht kommt, ist beinahe dreist. Ist eine 
Jamaika-Koalition unwahrscheinlicher geworden? Vielleicht. Aber nicht
nur wegen des grünen Vorstoßes. In Berlin kann niemand sagen, ob 
Horst Seehofer den CSU-Parteitag Mitte Dezember in Nürnberg als 
Vorsitzender übersteht.
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