Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Nitrat

Rinder grasen auf grüner Weide, Schweine suhlen
sich im Schlamm, Hühner ziehen sich gackernd in den Verschlag zurück,
um noch ein Ei zu legen: So stellen sich wohl die meisten,
unterstützt von der Werbung, das Leben auf dem Bauernhof vor.

Allerdings drängen sich vor diese heile Welt zusehends Bilder, die
genau das Gegenteil zeigen. Bilder aus der Massentierhaltung. Von
Schweinen, die kaum Platz haben, sich umzudrehen. Von Geflügel, das
sich gegenseitig ans Gefieder geht. Von Schmutz und von Gülle, die
sich direkt in den nächsten Bach ergießt. So unterschiedlich die
Bilder sind, sie finden in der Realität ihre Entsprechung. Allerdings
in der reinen Form nur bei Vorzeige-Biohöfen oder auf der anderen
Seite bei richtig schwarzen Schafen. Ansonsten liegt die Wahrheit
irgendwo in der Mitte.

Es gibt kein Naturgesetz, das sagt: Je größer der Betrieb, desto
schlimmer für Tier und Umwelt. So sehr die Sympathie den Kleinen
gehört: Wenn es darum geht, die 2017 endlich auch in Deutschland
verschärften Bedingungen für den Einsatz natürlicher Dünger in der
Landwirtschaft umzusetzen, sind sie ebenso gefordert. Viele große
Höfe verfügen schon über die geforderten Auffang- und Lagerbecken für
die – hier in größerer Menge anfallende – Gülle. Viele kleinere
Hofeigentümer aber, die jetzt Investitionen von 50.000 Euro und mehr
stemmen sollen, wird das überfordern. Manche werden aufgeben. So
beschleunigt das richtige Ziel, das Grundwasser vor Nitrat zu
schützen, auf der anderen Seite den Strukturwandel im ländlichen
Raum.

Und der Verbraucher? Je weiter sein Lebensmittelpunkt vom
ländlichen Raum entfernt ist, desto unrealistischer sind die
Erwartungen. Der Landwirt ist Unternehmer. Er produziert in erster
Linie für seinen Abnehmer, also den Schlachtbetrieb, dann auch für
den Handel. Der Endkunde, der das Fleisch im Supermarkt kauft, hat
gleichwohl die Chance, die Entwicklung zu beeinflussen. Selbst
Discounter bieten heute unterschiedliche Qualitäten – natürlich auch
zu unterschiedlichen Preisen. Jeder Verbraucher hat es in der Hand,
welche Produktionsmethode er mit seinem Kauf unterstützen will.

Und wenn er weit weg wohnt? Etwa in China? Angesichts der
Exportstärke der deutschen Agrar- und Ernährungsindustrie ist die
Frage berechtigt. Man kann davon ausgehen, dass es mitten in Asien
nicht die erste Sorge der Menschen ist, ob deutsche Bauern die
Bestimmungen für Tier- und Umweltschutz einhalten. Hier ist der
Gesetzgeber gefordert. Auch wenn sich die Rechtslage inzwischen
verbessert hat, ist die Kritik, die in dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs zum Gewässerschutz in Deutschland zum Ausdruck kommt,
beschämend - beschämend für einige Landwirte, aber vor allem
für Regierung und Parlament.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell