Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Nordkorea

Armes Nordkorea: Das Land wird stalinistisch
regiert, hungert, friert und leidet unter der internationalen
Isolation. Die Presse wird zensiert, das Internet abgeschottet, die
medizinische Versorgung liegt darnieder, und nur wenige Journalisten
dürfen Nordkorea besuchen. Wer dennoch hineinkommt, berichtet über
horrende Armut, scharfe staatliche Überwachung und den Personenkult
um den Diktator Kim Jong Il, den »geliebten Führer«, dessen Tod jetzt
Nordkorea in eine Krise stürzt. Zwar scheint der jüngste Sohn Kim
Jong Un das Erbe anzutreten, doch der junge Vier-Sternegeneral ist
kaum 30 Jahre alt, gilt als unerfahren, geistig beschränkt und ist
bei den Militärs unbeliebt. Diese Situation wird gefährlich, sollte
sich der junge Mann auf militärische Abenteuer einlassen, um den
Generälen zu imponieren. So soll er die jüngsten Provokationen
Südkoreas angestiftet haben – die Torpedierung eines südkoreanischen
Kriegsschiffes im März 2010 und der Granatenangriff auf eine
Süd-Insel im November 2010. Entsprechend nervös reagiert Seoul auf
den Tod von Kim Jong IIs. Die Krise in Pjöngjang erinnert daran, dass
die ungelöste Koreafrage eines der gefährlichsten Probleme der Welt
bleibt. Nordkorea ist hochgerüstet, besitzt Atomwaffen,
experimentiert mit Kurzstreckenraketen und neigt zu militärischen
Abenteuern; zugleich hofft Südkorea darauf, der Norden werde das
chinesische Wirtschaftsmodell annehmen und eine Wiedervereinigung
ermöglichen. Solange die beiden koreanischen Staaten verfeindet
bleiben, kann kein stabiler Frieden in der Region entstehen. Zwar
kann Peking mäßigend auf Pjöngjang einwirken, doch China konnte die
jüngsten militärischen Kapriolen Nordkoreas nicht verhindern. Und
noch stehen 37 000 US-Soldaten an der koreanischen Demarkationslinie.
Nicht auszudenken, welche Folgen ein Angriff auf Südkorea hätte.
Angesichts von 1,2 Millionen Soldaten der nordkoreanischen Volksarmee
würde ein zweiter Koreakrieg zumindest China, Russland, Japan und die
USA unweigerlich hereinziehen. Das ergäbe ein diplomatisches und
militärisches Horrorszenario. Dennoch sollten wir nicht zu
pessimistisch sein. Der Tod Kim Jong IIs könnte Nordkorea etwas
Hoffnung schenken, Hoffnung auf einen Neuanfang und etwas Annäherung.
Denn sollte sich Kim Jong Un nicht gegen die Militärs durchsetzen,
könnte die neue Machtelite das Land eventuell öffnen. Die
Nomenklatura und Generäle sind es leid, international geächtet zu
werden und würden gern vom chinesischen Modell profitieren. Kim Jong
II war kein radikaler Kapitalisten-Hasser: Er liebte Filme und ließ
ein internationales Filmfestival veranstalten. Da wurden auch
deutsche Filme prämiert – zuletzt »Das Wunder von Bern« und »Sophie
Scholl«. Vielleicht weht doch bald ein internationaler Hauch durch
die leeren Straßen von Pjöngjang.

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Andreas Kolesch
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