Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Obama

Diese Woche hat US-Präsident Barack Obama eine
große Chance, seine Wiederwahl zu zementieren. Am Ende des
Nominierungskonventes der Demokratischen Partei wird er eine Rede
halten, die sein politisches Schicksal entscheiden könnte. Er muss
die Skeptiker überzeugen, warum Amerika seine zweite Amtszeit
braucht. Denn Skeptiker gibt es viele – nicht nur in den Reihen
seiner politischen Gegner. 2008 war Obama mit dem Ruf nach »Hoffnung
und Wandel« ins Weiße Haus eingezogen. Doch 2010 verlor er die
Zwischenwahl. Die Republikaner übernahmen den Kongress und
blockierten seine Politik. Seitdem gleicht der Machtkampf zwischen
Demokraten und Republikanern einem politischen Bürgerkrieg, der den
Menschen mehr schadet als nützt. Nun muss Obama seine Stammwähler an
sich binden, die Wechselwähler gewinnen und die vielen Skeptiker
überzeugen. Denn seine Wiederwahl ist nicht garantiert. Umfragen
sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Mitt Romney voraus. Die
optimistische Stimmung von 2008 scheint verpufft, der Präsident wird
von der herben Realität eingeholt – von hoher Arbeitslosigkeit, zu
geringem Wirtschaftswachstum und einer enttäuschten Wählerschaft.
Doch dieser Präsident gibt nicht auf. Seine Vision eines sozial
gerechten Amerikas ist noch nicht tot. Obamas Bilanz kann sich
tatsächlich sehen lassen: Er hat die Gesundheitsreform durch den
Kongress gebracht, die Finanzkrise eingedämmt, die Abkehr von
fossilen Treibstoffen gefordert und mehr staatliche Hilfe für die
Bildung ermöglicht. Hierbei stand der Präsident primär auf Seiten der
Kranken, Unterprivilegierten, Immigranten und aller, die auf
staatliche Unterstützung angewiesen sind. Doch reicht all dies, um
eine zweite Amtszeit vom Wähler bewilligt zu bekommen? Die
Republikaner greifen an allen Fronten an: Sie lehnen sozialstaatliche
Interventionen ab, fordern niedrige Steuersätze für die Reichen und
wollen die Gesundheitsreform rückgängig machen. Obendrein
verunglimpfen sie den Präsidenten als »typischen Demokraten«, der
Steuergelder verschleudert. Kann Obama dieses Sperrfeuer überleben?
Ja, er kann. Es muss ihm nur gelingen, seine Vision eines
innenpolitisch humanen und außenpolitisch gemäßigten Amerikas zu
erneuern. Er muss mehr Wahlkampfspenden einwerben, um der prallen
Kriegskasse der Republikaner zu trotzen; und er muss seine Basis
mobilisieren – Frauen, Jungwähler, Immigranten, Latinos, Schwarze,
Linksliberale, und alle, die er 2008 mitreißen konnte. Denn es steht
viel auf dem Spiel: Sollte Obama verlieren, wäre dies nicht nur der
Anfang einer sozialen Eiszeit in Amerika, sondern auch ein Verlust
für die Welt. Doch Obama ist ein brillanter Rhetoriker. Er weiß, dass
seine Rede auf dem Wahlparteitag enorm wichtig ist. Und dass sie
vielleicht die folgenreichste Rede seiner Karriere werden kann.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261

Weitere Informationen unter:
http://