Sagt Ihnen Desertec noch etwas? Mehr als ein
Jahr ist es her, dass das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt
wurde. Im Spätsommer 2009 war es ein Thema. Für alle, die es nicht
explizit verfolgt haben, war es auch schnell kein Thema mehr. Zu groß
in der Dimension, zu langwierig in der Umsetzung erschien das
Konzept. Wenn jetzt einer der Projektbeteiligten sagt, eine
»stützende Hand des Staats« könne »hilfreich« sein, heißt das:
Desertec ist immer noch da, aber in der Realität angekommen. Diese
Realität ist dergestalt, dass es leider kein Naturgesetz gibt, das
aus guten Ideen gute Tatsachen macht. Damit Desertec Wirklichkeit
wird und wirklich in Wüstenregionen erzeugter Strom nach Europa
geleitet werden kann, muss irgendwer viel Geld bereitstellen. 400
Milliarden Euro, schätzen die Initiatoren. Dies sind Unternehmen wie
die Deutsche Bank, Eon, RWE und Siemens und Privatpersonen.
Finanziell noch nicht im großen Stil beteiligt sind die Länder, aus
denen der Strom geliefert beziehungsweise in die er geliefert werden
soll. Die meisten Deutschen wollen, dass der Übergang zu den
erneuerbaren Energien schneller und kompromissloser erfolgt. Wenn die
schwarz-gelbe Regierung dies auch ernsthaft will, was sie trotz des
von ihr forcierten Ausstiegs aus dem Atomausstieg behauptet, sollte
sie über eine Anschubhilfe für Desertec zumindest diskutieren und sie
bestenfalls bewilligen. Darüber allerdings müssen sich alle
Befürworter der regenerativen Energien im Klaren sein: Diese
Unterstützung wird Milliarden kosten. Milliarden aus Steuergeldern.
Und deshalb – das ist so wichtig, weil sonst aus
Desertec-Befürwortern schnell Desertec-Gegner werden können: Sollte
sich Deutschland dazu entschließen, das Projekt finanziell zu
unterstützen, darf dies nur befristet, nämlich in der Anfangsphase
geschehen. Man schaue sich die beteiligten Unternehmen an: Sie sind
Riesen, zum Teil Branchenführer. Siemens beispielsweise ist einer der
größten Technologiekonzerne der Welt – mit mehr als 400 000
Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von fast 77 Milliarden Euro. Auch
die Deutsche Bank und die beiden Stromriesen Eon und RWE gehören nun
nicht zu den Unternehmen, über deren Existenz man sich Gedanken
machen müsste. Wenn sie bei einer Sache im Boot sind, darf davon
ausgegangen werden, dass sie mit einem großen Fang rechnen und nicht
nur zum Wohl der Menschheit unterwegs sind. Um genau das, um unser
aller Wohl, darf es im Großen und Ganzen bei Energieprojekten aber
nur gehen. Wie wollen wir leben? Wie können wir in Zukunft leben,
wenn wir so wie jetzt weiterleben? Was ist uns Lebensqualität wert?
Der größte Energiemangel, den wir zu beklagen haben, darf nie der
sein, der sich auf Diskussionen über die Zukunft unseres Planeten
bezieht. Das mag pathetisch klingen. Nüchtern und kühl wurde aber
lange genug darüber gesprochen.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261