Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Syrien

Syriens Staatschef Assad bleibt unnachgiebig:
Die Proteste gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und Unterdrückung
werden im Keim erstickt. Panzer und Scharfschützen töten
Demonstranten, Polizisten und Geheimdienstler verhaften Kritiker und
Aktivisten. Während Militär, Staatssicherheit und Polizei den
Diktator brutal unterstützen, leidet das Volk. Etwa 500 Menschen
wurden bereits getötet. In Syrien wiederholt sich das blutige Drama,
das Libyen weiterhin erschüttert: Ein Despot will Freiheit und
Demokratie grausam verhindern. Wieder muss der Westen auf Barbarei
und Menschenrechtsverletzungen reagieren: Sollen die Waffen erneut
sprechen? Denn auch in Syrien führt ein Diktator Krieg gegen das
eigene Volk. Es wäre somit konsequent, auch Assad militärisch zu
schwächen. Dennoch unterscheidet sich die Ausgangslage: Gaddafi ist
international isoliert, geostrategisch unbedeutend und militärisch
vergleichsweise schwach. Assad hat starke Verbündete, eine
schlagkräftige Armee, 5000 Panzer und viele russische Kampfflugzeuge.
Eine Militärintervention »auf Sparflamme« könnte ihn nicht gefährden.
Obendrein würde ein neuer Krieg die Region erschüttern: Israel
braucht Frieden mit Syrien; Russland ist mit Syrien verbündet; die
Türkei benötigt einen stabilen syrischen Nachbarn, und Saudi-Arabien
fürchtet die Konfrontation mit dem Iran, der mit Syrien alliiert ist.
Beim Kampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die regionale
Vorherrschaft spielt Syrien eine Schlüsselrolle. Ein Krieg mit Syrien
würde Damaskus noch näher an Teheran rücken lassen. Die US-Regierung
kennt die geostrategische Bedeutung Syriens und bleibt zurückhaltend.
Zwar kritisiert Washington die syrische Unterstützung der
islamistischen Hisbollah und radikalen Hamas, doch Assad hat immerhin
für Stabilität gesorgt. Ein Krieg mit Syrien wäre nicht nur teuer und
militärisch fragwürdig, er könnte auch Israel gefährden und die
Region entzünden. Für Europa ist die Ausgangslage eindeutiger: Die EU
ist der engste Handelspartner Syriens. Sie hat wenige geostrategische
Interessen in der Region und kann Assad politisch, wirtschaftlich und
diplomatisch unter Druck setzen. Leichte Sanktionen wie
Reisebeschränkungen und Kontensperrungen sind dabei unzureichend; ein
Waffenembargo, die Einstellung der EU-Hilfen für Syrien und die
Kündigung des EU-Assoziierungsabkommens könnten Assad eher
behelligen. Da die militärische Option diesmal entfällt, müssten die
Sanktionen entsprechend hart und schmerzhaft sein. Die EU hat sich
im Lissabon-Vertrag zur »Außenpolitik aus einem Guss« verpflichtet.
Diese Politik wird nun in der Syrien-Frage gefordert. Leider ist
davon bisher wenig zu sehen. Sollte Europa keine gemeinsame Gangart
gegen Assad finden, wären die unterdrückten Syrer die Leidtragenden.
Dann hätte Europa in der arabischen Revolte selbst ohne
Militärintervention versagt.

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Andreas Kolesch
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