Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Anschlag auf Christen inÄgypten

Wer sich offen zu seinem Glauben bekennt, lebt
gefährlich. Das war schon im alten Rom so und hat sich bis heute
leider nicht geändert. Die Religionsfreiheit ist in vielen Ländern
gesetzlich garantiert, wer sich aber darauf beruft, steht oft allein.
Nicht anders ergeht es derzeit den koptischen Christen in Ägypten,
die seit fast 2000 Jahren in dem Land am Nil leben, beten und
arbeiten. Was treibt die unbekannten Attentäter in der Stadt
Alexandria dazu, mit 100 Kilogramm Sprengstoff das Leben von
mindestens 21 christlichen Gottesdienstbesuchern zu vernichten? Wie
immer bei derartigen Terrorakten reagieren Politiker in aller Welt
gleich: Sie verurteilen den Anschlag als feige Tat und fordern die
bedingungslose Aufklärung. Auch der ägyptische Präsident Hosni
Mubarak weiß um die Dimension dieser Morde. Nicht nur die
Muslimbrüder und die Anhänger der Demokratie machen dem Staatschef
das Leben schwer. Die Terrororganisation El-Kaida hat vermutlich bei
der Autobombe von Alexandria die Hände im Spiel. Ohne es wörtlich
ausgesprochen zu haben, kommt dieser Anschlag einer Kriegserklärung
gegen Christen gleich. Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker
Kauder, legt den Finger in die Wunde. Die weltweit am stärksten
verfolgte Religionsgemeinschaft ist seiner Meinung nach das
Christentum. Und ob man es wahrhaben will oder nicht: Vor allem in
den Ländern, in denen Muslime in der Mehrheit sind, müssen die
Christen leiden. Nach der Verfassung ist auch in Ägypten die
Religionsfreiheit garantiert. Der Alltag sieht ganz anders aus. Viele
koptische Christen sehen sich als Bürger zweiter Klasse. Sie haben es
schwer, führende Positionen im Staatsdienst zu erhalten. Wenn sie
neue Gotteshäuser errichten wollen, stehen sie oftmals vor
unüberwindbaren Hürden. Auch die Anordnung staatlicher Behörden, die
im Zuge der Hysterie um die Schweinegrippe alle Borstentiere im Land
töten ließen, obwohl alle Fachleute einen Zusammenhang zwischen der
Erkrankung und dem Genuss von Schweinefleisch ausschließen, ist unter
diesem Aspekt zu sehen. Leidtragende waren koptische Bauern, die ihre
Existenzgrundlage weitgehend verloren haben. Beifall kam hingegen aus
der islamistischen Szene, denen die Drangsalierung der Christen gar
nicht weit genug gehen kann. Toleranz ist keine Einbahnstraße. Die
richtige Antwort gaben am Wochenende viele Bewohner von Alexandria:
Christen und Muslime demonstrierten Seite an Seite gegen die
Bombenleger und hielten dabei Kreuze und Koran-Ausgaben hoch. Das ist
zumindest ein Hoffnungsschimmer. Wer es etwa in Saudi-Arabien wagen
würde, ein christliches Symbol offen zu zeigen, dem droht die
Hinrichtung. So wie in Pakistan der 45-jährigen Christin Asia Bibi,
die wegen angeblicher abfälliger Äußerungen über den Propheten
Mohammed zum Tode am Galgen verurteilt wurde.

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