»Wir haben die Wahl gewonnen!« Ein bisschen
dürfte man sich im Lager der CDU heute an den legendären Stoiber-Satz
vom Bundestagswahlabend 2002 erinnern, an dem es später dann ein
böses Erwachen gab. Auch David McAllister glaubte am Sonntag lange,
das Amt des Ministerpräsidenten verteidigt zu haben. Entsprechend
groß ist nun der Katzenjammer in der Union. Wieder ist eine
schwarz-gelbe Landesregierung gescheitert, wieder wurde ein
CDU-Hoffnungsträger abgewählt. Zwar hat McAllister sicher nicht das
Schicksal eines Stefan Mappus zu fürchten, doch aus der erhofften
Vorlage für die Bundestagswahl ist der größte anzunehmende Unfall
geworden. Im Lager von Rot-Grün muss niemanden jucken, dass die Sache
äußerst knapp war. Schon ziehen SPD und Grüne eine gerade Linie von
Hannover nach Berlin. Ihre neue Zuversicht mag etwas zu dick
aufgetragen sein, doch der Glaube ist es bekanntlich, der Berge
versetzen kann. Blasser schimmern auf einmal die Popularitätswerte
der Kanzlerin. David McAllister, in Niedersachen ähnlich beliebt wie
Angela Merkel in der ganzen Republik, haben sie jedenfalls nichts
genutzt. Für die Union muss das ein Warnzeichen sein. Nur zu gern
verlässt man sich nämlich darauf, dass die Deutschen niemanden
anderes als Merkel im Kanzleramt sehen wollen. Gewählt werden aber
Parteien, nicht Personen. Auch machtpolitisch werden die Karten neu
gemischt. In Sachen Euro-Krise ist die Kanzlerin kaum zu packen.
Deshalb wird Rot-Grün die Gestaltungsmehrheit im Bundesrat nutzen, um
auf dem Feld der Innenpolitik Unterschiede zu Union und FDP
herauszuarbeiten und den Keil in die schwarz-gelbe Koalition zu
treiben. Das Betreuungsgeld ist dafür gewiss nur ein, wenn auch das
herausragende Beispiel. Das Ergebnis von Hannover legt einen scharfen
Lagerwahlkampf nahe. Wahrscheinlich wird die Auseinandersetzung auch
so geführt werden. Das kann für die politische Debatte in Deutschland
nur gut sein. Gleichwohl sollten wir Wähler aufpassen, dass uns nicht
Gegensätze aufgetischt werden, die sich am Wahlabend womöglich
schnell in Luft auflösen. Schließlich ist im Bund ein
Vier-Parteien-Parlament weit weniger wahrscheinlich, allein schon
wegen der Stärke der Linkspartei in den ostdeutschen Ländern. Und
auf eine Leihstimmenkampagne für die FDP wird die Union nicht nur
wegen der schlechten Erfahrungen in Niedersachsen verzichten. Sie
macht wenig Sinn: Im Bund kämpft die CDU/CSU zuerst für sich, um so
stark zu werden, dass niemand gegen sie regieren kann. Sollte das am
Ende erneut zur Großen Koalition führen, hätte Angela Merkel sicher
kein Problem damit. Der Bundestagswahlkampf hat am Sonntag eine neue
Dynamik erhalten. Jetzt kommt Dampf rein! Und mehr Wähler dürften
wissen, was auch vorher schon galt: Das Rennen ist noch völlig offen.
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