Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Dreikönigstreffen der FDP

Das war Westerwelle, wie man ihn kennt:
lautstark, angriffslustig, rhetorisch ausgefeilt. Aber wird diese
eine Rede beim Dreikönigstreffen reichen, um die Wende der FDP
herbeizuführen? Wird sie Westerwelle retten? Nein. Es war zu
erwarten, dass der Vorsitzende nach seinem Urlaub gut erholt die
Bühne in Stuttgart betreten würde. Und auch wenn sein Strahlen und
die gute Laune eher aufgesetzt als echt wirkten, hat Guido
Westerwelle etwas zur liberalen Identität und zu den politischen
Zielen seiner Partei gesagt. Wichtige Themen – von Stuttgart 21 bis
zu Hartz IV – ließ er nicht aus. Er sparte auch nicht mit der
berechtigten Kritik am politischen Gegner. Doch wirklich Neues hat
man gestern nicht vom FDP-Chef gehört. So steht unterm Strich zwar
eine Rede, die zumindest ein wenig Aufbruchstimmung bei den Liberalen
ausgelöst hat, aber der erhoffte, große Befreiungsschlag war
Dreikönig für Westerwelle und die FDP nicht. Der Vorsitzende hat
nicht überzeugen können, weder inhaltlich noch mit seiner
schwarz-gelben Krawatte, die als überzogen wirkendes
Corporate-Identity-Symbol ein bisschen lächerlich wirkte. Guido
Westerwelle bleibt nicht nur angeschlagen, der König der Liberalen
befindet sich auch nach dem Neubeginn in Stuttgart weiter in der
Klemme. Denn nur mit einer 70-minütigen Ruck-Rede wird Westerwelle
die Partei nicht heilen, seine eigenen Schwächen und Fehler nicht
beseitigen können. Dazu ist mehr erforderlich. Er muss seiner
Doppelrolle als Außenminister und als Vorsitzender der FDP gerecht
werden. Eine Antwort blieb Westerwelle auch auf die Frage schuldig,
ob er beim Bundesparteitag im Mai erneut als Vorsitzender kandidieren
wird. Trotzdem ist Westerwelle – zumindest vorerst – der Starke unter
den Schwachen. Vielleicht wollte er genau das vermitteln, denn
Selbstkritik suchte man in seiner Rede vergeblich. Auch auf seinen
politischen Duz-Freund Horst Seehofer ging Westerwelle mit keiner
Silbe ein. Es muss ihn bis ins Mark getroffen haben, dass
ausgerechnet der selbst so heftig angeschlagene Bayer bei der
CSU-Klausurtagung in Kreuth betont hat, für Westerwelle kämpfen zu
wollen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Mit einer starken Rede in
Position gebracht hat sich in Stuttgart der FDP-Generalsekretär.
Christian Lindner, der heute 32 Jahre alt wird, ist zwar ein kluger
Kopf, aber noch zu jung, um als Westerwelle-Nachfolger ernsthaft in
Frage zu kommen. Das weiß auch Guido Westerwelle. Immerhin durfte
Lindner die Forderungen der FDP nach Steuervereinfachung vortragen.
Sein Chef hat dazu fast nichts gesagt. Gut möglich, dass Westerwelle
ihn in den nächsten Wochen weiter aufbauen will, damit er ihn beerben
kann – frühestens vielleicht schon nach den Landtagswahlen in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 27. März.

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