Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum EU-Gipfel

Irgendwie schien doch alles schon in trockenen
Tüchern. Die einen zahlen, die anderen sparen mehr als bisher: So
wollten die Euro-Staaten die gemeinsame Währung langfristig
absichern. Doch je näher der EU-Gipfel rückte, desto mehr Hindernisse
werden sichtbar. Der griechische Staatschef warnt vor
Bankenzusammenbrüchen in seinem Land. Sein irischer Kollege weigert
sich stur, die letztlich durch die EU finanzierten
Dumping-Unternehmenssteuern in seinem Land anzuheben. Und das größte
neue Hindernis errichtete das Parlament in Lissabon. Indem die
Portugiesen das Spargrogramm ablehnten, schickten sie zugleich ihre
Regierung in die Wüste. Dagegen hält sich der Protest in den Staaten,
die den größten Teil der Kosten zu tragen haben, in Grenzen. Auf
Deutschland entfallen 27 Prozent – 22 Milliarden Euro bar und 168
Milliarden an Garantien. Vermutlich liegt der geringe Protest daran,
dass die Auswirkungen des Geldabzugs aktuell nicht so zu spüren sind
wie die Folgen der Sparprogramme, gegen die sich die finanzschwachen
Staaten stemmen – an denen sie aber letztlich nicht vorbeikommen.
Jeder Häuslebauer kann sich das Dilemma ausmalen. Es ist eben ein
großer Unterschied, ob man den Kredit für eine Straße, einen Panzer
oder einen Rentenzuschuss mit 3,2 Prozent wie in Deutschland oder mit
7,8 beziehungsweise 10,2 Prozent wie in Portugal oder Irland
verzinsen muss. Das Problem ist, dass die Gläubiger den hohen
Zinssatz umso lieber einkassieren, als das Risiko im Grunde viel
kleiner ist als es die Finanzlage und das Rating der Staaten vermuten
lassen. Deshalb nützt der 500 Milliarden Euro teure Rettungsschirm,
auf den sich die EU-Staaten geeinigt haben, vor allem den Glaubigern.
Vom spanischen Arbeiter bis zum griechischen Rentner müssen dagegen
alle den Gürtel enger schnallen. Nur die Finanzwirtschaft braucht
keine der wackligen, aber hochverzinsten Anleihen abzuschreiben. Den
Namen »Euro-Pakt« verdient das im Vorfeld der Brüsseler Konferenz
geschnürte Paket nur, weil die Währung kurzfristig profitiert.
Mittel- und langfristig hängt der Erfolg stattdessen davon ab, ob in
der Haftungsgemeinschaft alle, und nicht nur die Starken, ihren
solidarischen Pflichten nachkommen. Die Sanktionen für unseriöses
Haushaltsgebaren sind so fest zu schnüren, dass sie nicht beim ersten
Konflikt wieder aufgelöst werden können. Diese Aufgabe bleibt dem
Gipfel noch. Es gibt Staaten, die so illiquide sind, dass sie
eigentlich Insolvenz anmelden müssten. In Brüssel hofft man, dass
eine aufstrebende Konjunktur die Situation entspannt, ehe sie
wirklich zum Problem wird. Doch der Aufschwung wird es nicht alleine
richten. Europa geht einen schweren Gang. Notfalls muss der Euro auch
ohne Portugal oder eines der anderen Länder marschieren. Alles andere
wäre verantwortungslos gegenüber der nachfolgenden Generation, die
schließlich für unsere Schulden gerade stehen muss.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261