Ein Gipfel ist die Spitze in einer Landschaft:
ein Höhepunkt auf einem Weg, der allerdings weitergehen wird –
weitergehen muss. Auch wenn das Ergebnis des Brüsseler Gipfels bei
Redaktionsschluss noch nicht feststand, so ist er in jedem Fall
Höhepunkt von – je nach Sichtweise – einer langen oder von mehreren
tiefen Krisen. Manche Staaten haben sie besser überstanden,
sicherlich auch Deutschland. Andere stehen am Abgrund. Die Ursachen
aber verwickelten sich mit der Zeit wie Seile zu einem gordischen
Knoten, den nicht einmal eine Gipfelkonferenz so einfach lösen kann.
Die Brüsseler Regierungskonferenz markiert auch insofern den Gipfel
eines Weges, als die Rettungsschirme inzwischen eine Größe erreicht
haben, die kein Haushaltspolitiker und erst recht nicht der normale
Bürger noch überblicken können. Eine Billion Euro: 1000 Milliarden
oder eine Eins mit zwölf Nullen. Um den allgemeinen Schrecken zu
mindern, wurde sie smart mit Hilfe von Hebeln versteckt, so dass der
deutsche Beitrag mit 211 Milliarden Euro stabil bleiben soll. Erst
mal . . . Nur wenn die auf dem Gipfel zu treffenden Beschlüsse
nachhaltig sind, können sie den Frust der Bürger an »der« Finanzwelt,
»den« Bankern, »den« Politikern und letztlich an Europa mindern. Um
aber nachhaltig zu sein, kommt es darauf an, nach dem Brüsseler
Gipfel die richtigen Wege einzuschlagen. Einer dieser Wege führt nach
Rom. Dort müssen nicht nur die Staatsfinanzen und das Sozialsystem in
Ordnung gebracht werden. Der Stiefel krankt seit langem auch
politisch. Es gibt jedoch Hoffnung, dass die Italiener Silvio
Berlusconi endlich einen schönen Mann sein lassen und wieder
Politiker wählen, die dem Allgemeinwohl und nicht ihrer persönlichen
Macht- und Lebenslust verpflichtet sind. Den steinigsten Weg geht
Griechenland. Aller Anfang ist schwer – er ist von den Griechen
allein nicht zu meistern. Damit er glückt, hat Athen aber die
Unterstützung aller Euro-Länder. Noch mehr solche Kraftakte wie vor
und auf diesem Gipfel werden Europa irgendwann überfordern. Deshalb
hat die Bundeskanzlerin recht, wenn sie – wie gestern im Bundestag –
nicht nur eine Firewall, sondern eine komplett neue vertragliche
Basis für die Europäische Union und insbesondere für den Euro
fordert. Dabei muss Angela Merkel vorangehen. Sie muss sich an die
Spitze des Reformprojekts stellen. Anders ist der schwierige Plan von
vornherein zum Scheitern verurteilt. Weitere Neuanfänge werden
notwendig sein, und sie dürfen sich nicht auf das Gebiet der
Euro-Währungsunion beschränken. Erforderlich sind internationale
Regeln, die die Finanzmärkte im Zaum halten, die überschaubar sind
und nicht das gesamte Weltsozial- und Weltwirtschaftssystem
gefährden.
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