Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Iran

Nordkorea führt es schon seit Jahren allen
Staaten vor, die sich nuklear bewaffnen wollen: Wer die Atombombe
hat, macht sich unangreifbar. Warum sollte also der Iran in Zeiten
des sich verschärfenden muslimischen Ur-Konflikts zwischen Schiiten
und Sunniten auf die Bombe verzichten wollen?

Natürlich setzen die Wirtschaftssanktionen des Westens das
theokratische Regime nach innen enorm unter Druck. Aber für ein Ende
der Strafen werden der geistliche Führer Chamenei und der mächtige
General Suleimani ihren gewählten Präsidenten Ruhani kein Dokument
unterzeichnen lassen, das ihnen den Weg zur Atombombe versperrt. Das
iranische Regime will beides: das sofortige Ende der Sanktionen und
Nuklearwaffen.

Das machen die Teheraner Deutungen des vorläufigen Abkommens von
Lausanne deutlich, die sich erheblich von denen des Westens
unterscheiden. Dass die Vereinbarung zweierlei Sichtweisen
ermöglicht, ist politisch bedingt: Für US-Präsident Barack Obama ist
der Deal gegenüber dem Kongress ebenso schwer zu verkaufen wie für
die Mullahs gegenüber den Revolutionsgarden. Da braucht es ein
bisschen Spielraum zwischen den Zeilen, um die Verhandlungen der
Details bis Ende Juni je nach Stand der Gespräche zu interpretieren.
Jedenfalls wäre das – angesichts der erneuten Scharfmacherei
Chameneis (»Teuflische Absichten Amerikas«) – wünschenswert.

Es muss an den bevorstehenden Osterfeiertagen gelegen haben, dass
am Gründonnerstag-Abend die als Durchbruch verkaufte Vereinbarung von
Lausanne tatsächlich als solcher wahrgenommen wurde. Mit knapp zwei
Wochen Abstand muss man wohl sagen: Es gibt keinen Atomkonsens mit
Iran – und kein belastbares, von beiden Seiten autorisiertes Dokument
über die Eckpunkte. Nur wenige Unterhändler kennen den Inhalt der
Papiere.

Die Unsicherheit bleibt: Man darf Iran nicht trauen. Wenn die
Mullahs lächeln, ist Vorsicht geboten. Sie haben nur einen Grund, auf
die Atombombe verzichten zu wollen: das Ende der Sanktionen. Und ihre
Chancen stehen beim Spiel auf Zeit nicht schlecht: Die Warnungen des
israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu stoßen wegen
Dauerbeschallung auf mittlerweile taube Ohren, und Obama will der
Welt das Gefühl von ein bisschen Frieden hinterlassen, bevor seine
Amtszeit endet.

Es ist richtig, dass keiner der aktuellen Konflikte, ob in Syrien
und Irak oder im Jemen, ohne den Iran gelöst werden kann. Allerdings:
Wer jetzt nach der Feuerwehr aus Teheran ruft, der bestellt den
Brandstifter gleich mit. Mit dem Mullah-Regime für etwas mehr
Stabilität im Krisengebiet Naher und Mittlerer Osten sorgen zu
wollen, ist mehr als riskant. Denn Iran hat seine Strategie nicht
geändert. Ziel ist die Hegemonie in der Region.

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Andreas Kolesch
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