Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kosovo-Einsatz der Bundeswehr

Während meist die Nachrichten aus Afghanistan
die Schlagzeilen bestimmen, ist der Kosovo aus den Köpfen vieler
Menschen verschwunden. 2004 flammte das Aggressionspotenzial in der
Region noch einmal auf. Die Eskalation war Symbol dafür, dass die
Situation keineswegs dauerhaft stabil ist. Oberstarzt Christoph
Rubbert, der das deutsche Einsatzkontingent im Süden des Kosovo
führt, hat recht: »Die Lage ist ruhig, in Teilen stabil. Verschiedene
Faktoren können das Land aber schnell in eine labile Lage bringen.«
Braucht es die Bundeswehr überhaupt noch auf dem Balkan? Ob sie der
größte Truppensteller sein muss, darf bezweifelt werden. Die vor
wenigen Tagen im Bundestag beschlossene Truppenreduzierung auf 900
Soldaten ist ein guter Anfang. Während die Debatte um den
Afghanistan-Abzug präsent ist, fällt das Stichwort Kosovo-Abzug
selten. Auch die Verantwortlichen vor Ort scheuen eine konkrete Zahl.
Dabei ist die Lage in Afghanistan mit der Unberechenbarkeit der
Taliban weitaus gefährlicher als die weitestgehend stabilisierte
Situation ethnischer Gruppen im Kosovo. Dass die Nato im Kosovo aber
momentan noch unverzichtbar ist, zeigt sich in ihrer Funktion als
Sicherheitsfaktor. Die Kosovaren jubeln den Truppen zu. Im Norden
hingegen hält sich die Sympathie serbischer Bürger in Grenzen. Hier
ist die Kfor um so wichtiger. Das zeigten die Eskalationen 2010, als
Serbien ein Basketballspiel verlor und Kosovo-Serben und
Kosovo-Albaner aufeinander losgingen. Diese Konflikte können die
Einheimischen nicht alleine lösen – noch nicht! Der richtige Weg ist
es, die Verantwortung immer mehr der kosovarischen Polizei zu
übertragen. Die Bürger verlassen sich zu sehr auf das Militär. Kfor
macht das schon, sagen sie. So erreichen die Kfor Anfragen, für die
sie nicht zuständig ist: Eltern erbitten Rat, weil ihr Kind gehänselt
wird oder eine Frau will das Müllproblem gelöst sehen. Die Kfor muss
einen Weg finden zwischen Präsenz und Verantwortungsabgabe. Bis der
Kosovo den im Land erhofften Schritt in die EU schafft, ist es ein
weiter Weg. Die Grenzfrage im Norden muss geklärt werden. Denn die
Serben rechnen den Nordkosovo zu ihrem Land. Auf dem steinigen Weg
hilft es keinem, wenn der Außenminister Enver Hoxhaj sagt, dass »nur
der Druck auf Belgrad von internationaler Seite hilft«. Das Vertrauen
auf ein Eingreifen von außen reicht nicht aus. Den Dialog mit Serbien
muss der Kosovo selbst vorantreiben. Der Ruf nach Eigenverantwortung
gilt auch für die Wirtschaft. Der Mittelstand fehlt, die
Arbeitslosigkeit liegt bei 45 Prozent. Die Bürger müssen lernen, mehr
zu planen. Es ist unsinnig, 200 Meter neben einem Möbelgeschäft zwei
weitere zu errichten, weil das erste so ertragreich ist. Was dem
Kosovo fehlt, sind Masterpläne, die über das Hier und Jetzt
hinausgehen. Ein radikales Vorgehen gegen Korruption ist ebenfalls
Aufgabe des Landes selbst. Dabei kann die Nato nur beraten. Die Dinge
in die Hand nehmen müssen die Kosovaren selbst.

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Andreas Kolesch
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