Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Mandat Nordirak

Erst der kleine Finger, dann die ganze Hand. Aus
einer unkonventionellen Waffenlieferung zugunsten kurdischer Kämpfer
im Nordirak soll eine Ausbildungsmission mit mindestens 100
Bundeswehrsoldaten werden. Das ist schon eine andere Liga als das
harmlose Erkundungsteam, mit dem alles begann. Für diesen Schritt
bedarf es eines heiklen Mandats durch den Bundestag. Und am Ende, wer
will das noch bestreiten, könnte ein weiterer umfassender auf Jahre
angelegter deutscher Auslandseinsatz stehen – mit allen Folgen von A
wie Ausbau bis O wie Opfer.

Als im Herbst der erste Hilfsflug mit erheblicher Verzögerung
Helme, Schutzwesten und Sturmgewehre von Leipzig aus über die Türkei
via Bagdad nach Erbil schaffte, sah alles nach einer einmaligen
Goodwill-Aktion aus.

Nur Kritiker fragten damals schon, wie denn eigentlich die
Ausbildung der Kurden an diesen Systemen erfolgen soll. Und wie
sichergestellt sei, dass die Waffen nicht in die falschen Hände
gerieten. Die Regierungsseite verwies auf Trainingsmöglichkeiten in
nahen Drittstaaten oder Schnellkursen in Deutschland. Auch der
Weiterverkauf oder Tausch gegen wirklich neues Kriegsgerät sei durch
genaue Beobachtung und enge Abstimmung mit den Kurden ausgeschlossen.

Schön wär–s. Seit gestern ist klar: alles Gerede. Im Nordirak ist
Krieg, die dortigen Kommandeure lassen keinen Kämpfer gehen, die
Männer und Frauen werden gebraucht und zwar schnell. So ist die
Gesetzmäßigkeit des Krieges, dem kann sich auch deutsches
Wunschdenken nicht entziehen.

Immerhin: Noch ist es nicht so weit und der Bundestag ist souverän
genug, den Fall möglicherweise sogar aufzuhalten. Denn im Fall
Nordirak ist vieles anders: Die Kurden sind kein Staat und die
Unterstützung der Peschmerga im Kampf gegen das IS-Kalifat ist weder
mit der Nato, der EU noch mit den UN abgestimmt – genau das ist nach
deutschem Recht aber Bedingung. Das Bundesverfassungsgericht hat 1994
Auslandseinsätze nur im Rahmen von »Systemen gegenseitiger
kollektiver Sicherheit« für zulässig erklärt. Man wird sehen, ob das
Urteil noch gilt oder ob sich der Bundestag darüber hinwegsetzt indem
er als Gesetzgeber einen neuen Rechtsrahmen setzt. Das dauert. Machen
wir uns nichts vor: Wenn die Bundeswehr mit dem Training kurdischer
und auch christlicher und jesidischer Kämpfer in einem eigenen Camp
bei Erbil im Nordirak beginnt, dann ist Deutschland auch
kriegsbeteiligt und strategisches Ziel der Terroristen des IS.

Schon länger gibt es internationale Absprachen, dass die
Bundeswehr eines von acht bis zwölf geplanten Ausbildungszentren
baut. Damit stellen sich die ganzen Folgefragen nach Bewachung,
Versorgung und Verteidigung im Angriffsfall. Es gibt im Nordirak
keine waffenfreie Zone. Es gibt nur Krieg und offenbar immer mehr
Beteiligte.

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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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