Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum russischen Staatsdoping

Die Reaktionen aus Russland waren vorhersehbar.
Nichts ist bewiesen, wo sind die Fakten? Schuldige und Unschuldige
werden in einen Topf geworfen: Sportler, Funktionäre und Politiker
geben die verfolgte Unschuld. Dabei sind die Fakten mittlerweile mehr
als das, was man gemeinhin erdrückend nennt.

Es ist ohne Frage so, dass im Sport der geistig-moralische Kompass
schon seit Jahren Tango tanzt – nicht nur in Russland. Dort scheint
man aber nicht einmal den Versuch zu unternehmen, die schlimmsten
Auswüchse zu bekämpfen. Im Gegenteil: Da hilft wohl sogar der
Inlandsgeheimdienst mit, Beweise zu unterdrücken, zu vertuschen, zu
manipulieren. Das ist eine Dimension, die es nicht einmal in den
Doping-Hochzeiten der 80er-Jahre in der DDR gegeben hat.

Gegen 1000 russische Sportler sollen Beweise vorliegen, dass sie
chemisch nachgeholfen haben, um für sich und Mütterchen Russland die
Meriten zu mehren: was für eine erschreckende Zahl. Damit bleibt dem
Internationalen Olympischen Komitee eigentlich nichts anderes mehr
übrig, als ein klares Zeichen zu setzen, eines, das weh tut. Eines,
das ein Nachdenken erzwingt und einen radikalen Wandel nach sich
zieht. Und weh tun eigentlich nur zwei Dinge: kein Auftritt bei
Olympia, und, was noch mehr schmerzen würde, keine Fußball-WM 2018 in
Russland.

Doch zu diesem Doppel-K.o. wird es nicht kommen. Wahrscheinlich
ist ein Ausschluss von den nächsten Winterspielen. Aber mehr? Wohl
eher nicht. Denn dann beginnen die Duelle um das abstruseste
Argument, warum genau nun dieser Wettbewerb mit russischer
Beteiligung stattfinden muss.

Und die Ertappten werden nicht zu Unrecht darauf verweisen können,
dass man es auch in anderen Ländern nicht so genau mit der Reinheit
von Blut und Urin nimmt. Wenn sich etwa ein Eberhard Gienger zum
Thema russisches Staatsdoping äußert oder DLV-Präsident Clemens
Prokop, kann durchaus die Gegenfrage kommen: War da nicht auch mal
was bei euch, oder ist es nicht sogar noch? Der Kampf gegen Doping
ist nicht zu gewinnen. Nicht, solange mit Sport so viel Prestige und
Geld gewonnen werden kann. Natürlich darf deshalb der Versuch nicht
aufgegeben werden, den Sport wenigstens halbwegs fair zu gestalten.
Auch in Russland.

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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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