Die Landespolitik blickte gestern noch mit
Spannung auf Innenminister Ralf Jäger (SPD) und dessen
Parteispendenproblem, als Rot-Grün den nächsten Schlag ins Kontor
erlitt. Das Oberverwaltungsgericht in Münster erklärte die
Genehmigung der Gemeinschaftsschule Finnentrop für rechtswidrig. Es
bestätigte damit zwei Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts
Arnsberg, das die Sorgen der Nachbarn Attendorn und Lennestadt um
deren Schulen als berechtigt anerkannt hatte. Man kann es sich jetzt
so einfach machen wie Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) und
Finnentrop zum Einzelfall erklären. Das Gegenteil ist der Fall:
Münster hat nicht den gemeinhin »Schülerklau« genannten Aspekt in den
Blick genommen, sondern die Schulgründung auf Basis eines
Schulversuchs. Und damit stoppt die Entscheidung jeden weiteren
Schulversuch. Das heißt: Ein Dutzend Gemeinschaftsschulen starten im
Sommer. Danach ist solange Annahmeschluss, wie kein ordentliches
Gesetz zustande kommt. In der Begründung lassen die Richter
unverblümt erkennen, was sie vom Vorgehen der rot-grünen
Landesregierung halten: nichts. Die Inanspruchnahme der
Experimentierklausel für eine Schulform, von deren Funktionsfähigkeit
die Beteiligten überzeugt sind, halten sie für tolldreist. Die
Richter fragen: Wo ist der Erprobungsbedarf, wenn es die neue Schule
in anderen Bundesländer längst gibt? Und kundige Thebaner wundern
sich: Wie kann es sich eine Regierung herausnehmen, am Parlament
vorbei eine fünfte Schulform zu schaffen und sich später das nötige
Gesetz vom Landtag passgenau nachliefen zu lassen? Leichtes Spiel für
die Opposition, die gestern zu Recht verlangte, den gesamten
Schulversuch sofort zu stoppen. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke
triumphierte, der Versuch, auf kaltem Wege die Weichen Richtung
Einheitsschule zu stellen, sei auf ganzer Linie gescheitert. Auch
CDU-Vormann Karl-Josef Laumann betonte, Schulen brauchten
Planungssicherheit und nicht politische Stümperei. Aber er ergänzte,
dass die Einladung der Union zu Gesprächen über einen Schulkonsens
jetzt angenommen werden sollte. Denn: Überall im Land sind auch
CDU-Räte in großer Sorge um ihre schwächelnden Schulen. Gerade
bürgerlich regierte Landstriche schätzen das Gemeinschaftsmodell, um
ihre Kinder am Ort zu behalten. Politisch ist das Urteil ein weiterer
Rückschlag für die rot-grüne Minderheitsregierung, der wieder ein
Vorzeigeprojekt wegbricht. In der Sache leiden unter der
Regierungstrickserei Schüler, Eltern und Lehrer, die auch nicht mit
falschen Begründungen durchs Leben kommen. Für Rot-Grün führt kein
Weg an einem handfesten Schulgesetz vorbei. Gebraucht wird ein sauber
gemachtes Paragrafenwerk, dem im Landtag eine große
Schulfriedenskoalition aus voller Überzeugung zustimmen kann.
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