Die Tarifpartner im öffentlichen Dienst sind
nach den üblichen Ritualen einschließlich Nachtsitzung einig
geworden: 6,3 Prozent mehr Geld – die Gewerkschaften beschreiben ein
solches Ergebnis gern als ordentlichen Schluck aus der Pulle. Bei
näherer Betrachtung aber ist die Lohnerhöhung nicht ganz so
berauschend, wie es die Zahl glauben macht. Bei einer Laufzeit von 24
Monaten steht aufs Jahr gerechnet eine Drei vor dem Komma. Das ist
zwar immer noch überdurchschnittlich und mehr als ein bloßer
Inflationsausgleich, aber gar nicht so weit entfernt von den
Abschlüssen der Jahre 2008 und 2009, als das Lohnplus nominell bei
3,1 und 2,8 Prozent lag. Wesentlicher Unterschied: Diesmal einigten
sich die Tarifpartner ohne Schlichtung und quälend langen
Arbeitskampf. Die Politik, die zumindest auf der Ebene der
Bundesbediensteten ja gleichzeitig als Arbeitgeber fungiert, erspart
sich weiteren Verdruss der Bürger. Überquellende Mülltonnen und
geschlossene Kindergärten sind nicht dazu geeignet, das Vertrauen der
Wählerschaft in die Regierenden zu stärken. Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich (CSU) kommt der rasche Abschluss gelegen. Der
überdurchschnittliche Tarifabschluss war nicht nur aus Sicht der
Arbeitnehmer überfällig, auch die öffentlichen Arbeitgeber mussten
angesichts des zunehmenden Wettbewerbs um den Berufsnachwuchs die
Konkurrenzfähigkeit mit privaten Arbeitgebern wiederherstellen. Nicht
zuletzt wird sich die NRW-CDU darüber freuen, dass ihr
Anti-Schulden-Wahlkampf nicht durch Trillerpfeifen und Rufe nach mehr
Geld übertönt wird. Katerstimmung wird der Schluck aus der Pulle in
den finanziell gebeutelten Rat- und Kreishäusern auslösen. Vor allem
die hoch verschuldeten Großstädte wissen nicht, woher sie die
zusätzlichen Millionen nehmen sollen. Der Oberbürgermeister von
Duisburg, der am höchsten verschuldeten Stadt Deutschlands, hat
bereits die Marschroute abgesteckt: Gespart wird unter anderm bei der
Jugendhilfe und im Sozialetat. Eine Stadt, die am Abgrund steht,
rutscht ins Bodenlose. Zur Wahrheit gehört auch, dass vor allem die
Bürger für den Lohnabschluss zur Kasse gebeten werden. Müllabfuhr,
Kindergärten, Bücherei: Die Mehrkosten schlagen über kurz oder lang
auf die Gebühren durch. Das Leben wird wieder ein wenig teurer
werden. Der Schluck aus der Pulle verschafft somit neuen Durst. Die
nächsten Tarifrunden in der Metallbranche, in der Chemieindustrie,
bei den Banken und der Telekom werden es zeigen. Die Bundesregierung
wird darüber nicht traurig sein. Mehr Geld für Verbraucher kurbelt
die Binnenkonjunktur an. Dann bleibt am Ende auch für den
Finanzminister ein ordentlicher Schluck aus der Pulle.
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