Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Bundeswehr

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg
(CSU) gilt als mutig und progressiv. Sein Vorschlag, die Wehrpflicht
abzuschaffen, wurde soeben vom CDU-Parteitag genehmigt. Hier regt
sich kaum Widerspruch. Kritik hagelte es jedoch, als der Minister in
einer Rede die Sicherheitspolitik »offen und ohne Verklemmung« mit
den Wirtschaftsinteressen unseres Landes verknüpfte. Der
Linken-Abgeordnete Wolfgang Gehrke mahnte, für deutsche
Wirtschaftsinteressen dürfe »kein Blut vergossen werden«, Deutschland
führe keine »Wirtschaftskriege«. Das sei »Kanonenpolitik«, donnerte
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Doch ist sie das wirklich?
Guttenberg hatte sich auf das Weißbuch der Bundeswehr bezogen. Dort
steht seit 2006: »Die Sicherheitspolitik Deutschlands wird von dem
Ziel geleitet, die Interessen unseres Landes zu wahren, …
insbesondere den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage
unseres Wohlstands zu fördern.« An diesem Text habe sich niemand
gestoßen, bemerkt der Verteidigungsminister. Die Sicherung der
Seewege sei eine selbstverständliche Aufgabe der Bundeswehr.
Politisch brisant wird das Thema im Kontext mit dem Rücktritt von
Ex-Bundespräsident Köhler. Dieser hatte im Hörfunk gesagt, im Notfall
sei auch ein militärischer Einsatz notwendig, um »freie Handelswege
zu sichern.« Deutschland sei schließlich vom Außenhandel abhängig.
Doch hier geht es nicht um Horst Köhlers Rücktritt. Er hatte den
Streit um das Thema nicht verkraftet und wollte sich schonen. Dabei
wäre es ein Leichtes gewesen, die Kritiker zu besänftigen. Denn die
späte Schützenhilfe vom Verteidigungsminister trifft ins Schwarze: Am
Horn von Afrika beteiligt sich die Bundeswehr mit 320 Soldaten, einer
Fregatte und einem Tankschiff an der EU-Mission Atalanta. Dieser
Einsatz wird von niemandem ernsthaft in Frage gestellt. Schützenhilfe
erhält Guttenberg auch von Außenminister Westerwelle. Der Vorwurf der
»Kanonenpolitik« sei »grotesk, lächerlich und absurd«, meint der
Freidemokrat und Vizekanzler. Der Einsatz schütze auch die
Hilfslieferungen für afrikanische Häfen. Deutsche Staatsangehörigen
oder deutsche Schiffe dürften selbstverständlich beschützt werden.
Dieser Auftrag wurde im Bundestag mit riesigen Mehrheiten
beschlossen. Die Bundeswehr hat heute andere Aufträge als im Kalten
Krieg. Terrorismus, Piraterie, asymmetrische Kriege oder humanitäre
Interventionen im Namen der UNO gehören zur aktuellen Strategie.
Dabei gilt das Primat der »militärischen Zurückhaltung«, wie
Westerwelle betont. Von »Wirtschaftskriegen« kann keine Rede sein.
Verteidigungsminister Guttenberg hat somit nur ausgesprochen, was
auch beim Gipfeltreffen der Nato am Wochenende bestätigt werden wird:
Die Bundeswehr schützt den Frieden und kämpft gegen Piraten. Das ist
ihr gutes Recht.

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