Libyen wird von blutiger Gewalt und brutalen
Repressionen erschüttert. »Revolutionsführer« Muammar al-Gaddafi
zeigt sein wahres Gesicht: Er blockiert das Internet, lässt auf
Demonstranten schießen, setzt Panzer, Schlägertrupps und Hubschrauber
ein und erlaubt seinem Sohn, mit Bürgerkrieg zu drohen. In einer
langen Hass-Rede schimpft er auf »Imperialisten, Ausländer,
Fundamentalisten und Verräter« und hetzt gegen »drogensüchtige
Jugendbanden«, die Libyen »wie Ratten« bedrohen. Gaddafi ist kein
»Revolutionsführer« mit Interesse am Volkswohl. Er kämpft nur noch um
den Machterhalt. Seine Tiraden zeigen einen Neurotiker, der an
Größen- und Verfolgungswahn leidet. Doch Gaddafis Realitätsverlust
hat blutige Konsequenzen, denn Libyen wird äußerst brutal regiert:
Korruption, Folter, Menschenhandel und illegale Inhaftierungen sind
allgegenwärtig. Gaddafi lässt Dissidenten verfolgen, Journalisten
einsperren und Kritiker wahllos ins Gefängnis werfen. Kurz: Libyen
ist ein Unrechts- und Folterstaat. Die libyschen Demonstranten sind
besonders tapfer: Sie müssen gegen Armee, Geheimdienste, Polizei und
Schlägertrupps kämpfen. Wer so viel Mut zeigt, ist verzweifelt und
wütend und empfindet einen enormen Leidensdruck. »Gib mir Freiheit
oder den Tod«, scheinen die Demonstranten zu fordern. Dieser Ruf
könnte sich furchtbar bewahrheiten: Sollte der Diktator weiterkämpfen
und tatsächlich als »Märtyrer« sterben wollen, wäre ein grausamer
Bürgerkrieg unvermeidlich. Möglicherweise rücken soeben Tausende
Milizionäre ein, allein Gaddafis Geld verpflichtet. Die libyschen
Freiheitskämpfer verdienen unseren Beistand. Doch wie verhält sich
der Westen? Europa ist zwar empört; die EU-Außenminister haben Gewalt
gegen Demonstranten scharf verurteilt, die Bundeskanzlerin ist
»bestürzt«, und der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn
kritisiert ein Regime, »das seine eigenen Leute abknallt«. Doch harte
Maßnahmen hat die EU bisher noch nicht ergriffen. Einst war Gaddafi
der »tollwütige Hund des Nahen Ostens«, wie US-Präsident Ronald
Reagan ihn nannte. Er wurde boykottiert und isoliert. Doch dann
herrschte Tauwetter: Weil Gaddafi eine »gemäßigte« politische Wende
vollzog, wurde er hofiert, die Erdöl- und Erdgasgeschäfte blühten,
und die EU benutzte ihn zum Abfangen von afrikanischen Immigranten.
Freiheit und Menschenrechte blieben dabei zumeist untergeordnet. Am
Beispiel Gaddafi wird die heuchlerische Position der EU gegenüber
arabischen Diktatoren erneut entlarvt. Erfreulich ist immerhin, dass
Außenminister Guido Westerwelle mit Sanktionen droht. Denn so lange
Gaddafi herrscht, sollten wir die diplomatischen Beziehungen
abbrechen, ein Flugverbot für libysche Kampfjets erzwingen und den
gefährlichen Neurotiker isolieren, ächten und boykottieren. Das sind
wir unserem Gewissen, unseren Werten und dem mutigen Geist der
libyschen Freiheitskämpfer schuldig.
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Andreas Kolesch
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