Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema „Innere Sicherheit“

Bis vor wenigen Wochen war der Präsident der
Bundespolizei einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Das ist für
einen Chef von 40 000 Mitarbeitern nicht unbedingt von Nachteil. Als
Matthias Seeger am 6. Juni in der »Bild«Zeitung lesen konnte, dass er
als Chef der Bundespolizei abgelöst werden sollte, war es mit der
ruhigen Arbeit vorbei. Fast zwei Monate lang wurde in der
Öffentlichkeit weiter spekuliert, und der oberste Dienstherr sagte
dazu nichts. Schon allein aus Gründen der Fürsorge hätte
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich einen sauberen Weg wählen
müssen: Er trifft sich mit Seeger, erklärt ihm unter vier Augen
dessen möglichen Defizite und entlässt ihn dann sofort. Oder er hätte
sich schützend vor ihn gestellt. Stattdessen tauchten in den Medien
immer neue mögliche Gründe auf, warum Seeger nicht mehr tragbar sei.
Das Innenministerium ließ die Diskussion laufen. Zumindest menschlich
ist Friedrichs Verhalten nicht zu rechtfertigen, obwohl er rein
formal Personalentscheidungen nicht begründen muss. Erst acht Wochen
später drückte der CSU-Politiker dem bisherigen Polizeipräsidenten
Seeger die Entlassungsurkunde in die Hände und setzte zugleich dessen
Stellvertreter auf andere Posten. Hat Friedrich etwa eine
Verschwörung auf der Führungsetage der Sicherheitsbehörde aufgedeckt?
Anders kann er die totale Umbesetzungen bei der Bundespolizei kaum
begründen. Da nach der Aktenschredder-Panne auch die Spitze des
Verfassungsschutzes ausgewechselt wurde, der Bundesnachrichtendienst
(BND) eine neue Führung hat, und die Amtszeit des BKA-Chefs Jörg
Ziercke zum Jahresende endet, sollte Friedrich seine Chance nutzen.
Er kann sich nach seinen Personalentscheidungen um Inhalte kümmern.
Eine Einigung in der Koalition auf eine Vorratsdatenspeicherung lässt
auf sich warten. Wie wird sichergestellt, dass die
Verfassungsschützer in Bund und Ländern sowie das Bundeskriminalamt
(BKA) nicht länger neben-, sondern miteinander die Gegner des Staates
aufspüren? Wie können die Mitarbeiter der Bundespolizei neu motiviert
werden? Sie erhalten ständig neue Aufgaben, beklagen aber eine
unzureichende Ausstattung. Wo sind die Sicherheitskonzepte des
Ministers? Der Innenminister hat noch immer nicht begründet, warum
Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz,
Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst (MAD)
nebeneinander vor sich hin arbeiten und deshalb solch schwerwiegende
Fehleinschätzungen wie bei der NSU-Mordserie erst so spät aufgefallen
sind. Hans-Peter Friedrich, dem nachgesagt wird, nur aus Parteiräson
ins Innenressort gewechselt zu sein, gehen nun nach dem Kahlschlag in
den Sicherheitsbehörden die Ausreden aus. Bei der nächsten Panne wird
es ihm nicht mehr gelingen, Strukturen oder unloyale Spitzenbeamte
für Defizite verantwortlich machen. Hans-Peter Friedrich arbeitet
weiter – jetzt auf Bewährung.

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