Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass
die Kommunen vor dem finanziellen Abgrund stehen, dann ist der mit
der neuen Schuldenstatistik endgültig erbracht. Vor allem in den
Großstädten dreht sich die Abwärtsspirale unaufhörlich weiter. Das
Beispiel Bielefeld offenbart das Ausmaß des Desasters: Um 142
Millionen Euro ist der Schuldenberg in einem einzigen Jahr gewachsen.
Dieses Jahr werden wohl weitere 160 Millionen Euro hinzukommen.
Dagegen kann kein Bürgermeister ansparen. Viele Kommunen überleben
nur noch mit Buchhaltungstricks. Ein Drittel ihrer Schulden lassen
die Städte und Gemeinden mittlerweile dauerhaft über Kassenkredite
laufen, die eigentlich nur für den Ausgleich kurzfristiger
Zahlungsverpflichtungen verwendet werden dürfen. Allein die Stadt
Herford hatte auf diese Weise 20 Millionen Euro Miese außerhalb des
offiziellen Haushalts versteckt. Enttarnt wurde dieser Trick nur,
weil die Statistiker erstmals gezielt nachgefragt haben. Dabei muss
bezweifelt werden, dass tatsächlich alle Kommunen dem Herforder
Beispiel gefolgt sind und ihre Nebenschulden offenbart haben. Legal,
illegal – Hauptsache, man laviert sich irgendwie durch. Für
politische Gestaltung bleibt da kaum noch Luft. Beispiel Paderborn:
Die Pläne für den Bau einer von der Bevölkerung vehement abgelehnten
Müllverbrennungsanlage soll durch die Zahlung von drei Millionen Euro
an den Investor beerdigt werden. Doch die Stadt kann nicht zahlen,
solange sie dem Kreis nicht einen Sparhaushalt vorlegt. Der aber
sieht ebenfalls höchst unpopuläre Maßnahmen vor –
Hallenbenutzungsgebühren für Sportler, höhere Beiträge für
Kindergärten oder Ganztagsbetreuung an Schulen, um nur einige der 52
Punkte der Sparliste zu nennen. Dabei wollen die Bürger ja, dass
gespart wird. Nur soll es eben immer die anderen treffen. Unstrittig
ist auch: Manche Kommune hat über ihre Verhältnisse gelebt und sich
Vorzeigeprojekte ans Bein gebunden, die nun zum bleischweren Ballast
werden. Vor allem in den Großstädten aber geht es längst nicht mehr
um solche Luxusprobleme, sondern ums nackte Überleben. Die
Sozialkosten sind explodiert – durch die Wirtschaftskrise und durch
immer neue Verpflichtungen, die den Kommunen auferlegt wurden.
Deshalb muss die Gemeindefinanzierung auf ein neues Fundament
gestellt werden. Noch im Juni will Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble (CDU) einen Vorschlag machen. Dabei wird es auch Verlierer
geben: Die kleinen Gemeinden, die im Speckgürtel der Großstädte noch
recht komfortabel leben, werden Federn lassen müssen. Die
Gewerbesteuer, mit der manch ein Bürgermeister in guten Jahren wie
2008 seine Spendierhosen aufbügeln konnte, soll umverteilt werden.
Vor allem aber wird der Bund seine Schatulle abermals öffnen müssen.
Doch auch dieses Geld fällt ja nicht vom Himmel. Am Ende zahlt so
oder so der Bürger – durch höhere Steuern oder durch höhere Beiträge
und Eintrittspreise.
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Andreas Kolesch
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