Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Putin

Putin auf der Krim Wäre das Thema nicht so
bitterernst, manches am beobachtbaren Machtwechsel auf der Krim
könnte an eine ganz billige Militärklamotte aus dem B-Movie-Kino
erinnern. Da wird ein ukrainischer Marinechef im Jogginganzug aus dem
Kommandostand in Sewastopol geholt. Zugleich treten schwer bewaffnete
und offenkundig ausgebildete Soldaten mit Camouflage und Sturmhaube
auf. Der Ausstattung der angeblichen Selbstverteidigungskräfte fehlt
es an nichts – bis auf die Hoheitszeichen. Weder die weiß-blau-rote
Flagge am Ärmel, noch das Banner der russischen Föderation daneben:
Das ist der Unterschied – und unverkennbarer Ausdruck russischer
Restskrupel ob der Unzulässigkeit des eigenen Tuns. Mindestens zwei
tote Soldaten hat es beim Personaltausch gegeben. Hoffentlich bleibt
es dabei. Angeblich ziehen die ukrainischen Offiziere widerstandslos
ab und die Mannschaftsdienstgrade wechseln die Seiten. Sie wissen,
dass Widerstand zwecklos ist. Soviel ist klar am Tag drei nach dem
rechtswidrigen Referendum über die Rückkehr der Schwarzmeerhalbinsel
in Mütterchen Russlands Schoß: Wladimir Putins Dreistigkeit hat
gewonnen. Der Westen will – und kann auch gar nicht eingreifen.
Sparen wir uns also die Vergleiche mit dem Wiener Heldenplatz 1938
und dem Heim-ins-Reich-Drang eines national aufgeladenen Mobs. Sehen
wir, die Blockbildung in Europa ist mitnichten überwunden. Geopolitik
und strategische Interessen bleiben so lange real, wie sie nur eine
Seite brutal genug betreibt. Wer wirklich geglaubt hat, Militärmächte
würden auf Einflusssphären und das Denken in Kontrollzonen
verzichten, der sieht sich getäuscht. Das, was hier am Fall Russland
offensichtlich wird, gilt im übrigen auch für China, aber ebenfalls
für Israel und – ja ganz bestimmt – auch für die USA. Russland hat in
Georgien den Herr-im-Hause-Standpunkt 2008 durchgepaukt.
Transnistrien hat sich längst innerlich von Moldawien verabschiedet.
Rumänen, Polen, Slowaken, Tschechen und Balten fragen sich jetzt
voller Sorge, wer als nächstes »dran« ist. Alle klammern sich an den
Nato-Vertrag, der den Angriff auf ein Mitglied als Aggression gegen
alle bewertet. Hierzulande können nur die wenigsten nachvollziehen,
wie groß die Furcht der Polen ist. Allein der Gedanke an die
Konferenz von Jalta Anfang 1945 auf der Krim lässt sie
zusammenzucken. Auch die hohen russischen Bevölkerungsanteile in
Lettland und Litauen werden wieder als Bedrohung wahrgenommen. All
das ist gar nicht gut. 25 Jahre nach dem Riss im Eisernen Vorhang
stellt sich heraus, dass mit nationalem Geschrei und
Großmachtansprüchen wieder Unheil in Europa angerichtet werden kann.

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