Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Sterbehilfe

Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat im Bundeskabinett mit der
Stimme der Kanzlerin eine weitgehende Freigabe der Sterbehilfe in
Deutschland auf den Weg gebracht. Nur der Bundestag kann das jetzt
noch stoppen – sofern er das überhaupt will. Was bislang eine
Grauzone war, soll künftig grundsätzlich straffrei sein. Das zur
Abstimmung stehende »Gesetz zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen
Förderung der Selbsttötung« stellt riesige Spielräume straffrei.
Solange nicht ein professioneller Sterbehelfer eine Rechnung
schreibt, ist alles andere möglich. Jede Form der Sterbehilfe, die
sich gebührenfrei in Stiftungen, Vereinen oder dubiosen
Freundeskreisen organisiert, wird legal. Deutschland wäre nach den
Anfängen in der Schweiz und in den Niederlanden das erste große Land,
das die Liberalisierung einführt. Ansonsten ist beinahe weltweit jede
Form der Mitwirkung am Suizid aus guten Gründen verboten. In Fragen
von Leben und Tod kann es keine Kompromisse geben. Und dennoch
geschieht genau dies bei uns immer wieder. Ob Abtreibung aus sozialer
Not seit 1993, Tötung Behinderter im Mutterleib bis kurz vor der
Geburt, Präimplantationsdiagnostik oder jetzt Sterbehilfe: Stets
schlägt sich die Unentschiedenheit der Gesellschaft auch in deren
Rechtspraxis nieder. Denn: Tatsächlich gibt es auch in Deutschland
breite Kreise, die zumindest in der theoretischen Debatte das Recht
fordern, aus dem Leben scheiden zu dürfen, wann und wie sie es
wollen. Mehr noch: Artikel 1 »Die Würde des Menschen ist unantastbar«
nehmen die Befürworter einer liberalen Regelung genauso in Anspruch
wie deren Gegner. Selbstbestimmung, die die Heutigen mehr denn je für
sich verlangen, spielt dabei die entscheidende Rolle. Wen wundert
das, wenn das –Ich– immer mehr über des –Wir– rückt? Das Recht,
seinem Leben ein Ende setzen zu lassen, gilt dem vermeintlich
modernen Menschen als einklagbarer Teil seiner Würde. Dem zu
widerstehen, braucht es ein starkes traditionelles Werteverständnis.
Aber wo gibt es das noch? In den christlichen Kirchen ist diese
Position klar. In der Partei mit dem C im Namen dagegen schon nicht
mehr. Denn selbst die Union ist nur ein Abbild eines in diesen Fragen
verunsicherten Bürgertums. Ein Reihe von Unionsabgeordneten hofft
noch auf Nachbesserungen. Die in der CDU relativ einflusslosen
Christdemokraten für das Leben verlangen dagegen einen gänzlich
anders gestrickten Gesetzentwurf. Allein die Tatsache, dass der neue
Paragraf 217 beinahe ohne Debatte durchgewunken worden wäre, gäbe es
nicht die jüngsten Warnungen der Lebensschützer, spricht schon Bände.
Deshalb scheint schon jetzt klar, wie die Entscheidung des
Bundestages am 31. Januar ausfallen wird.

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