55 Jahre unabhängig, davon 37 Bürgerkriegsjahre
– das ist der Sudan im Schnelldurchgang. Bei näherer Betrachtung hat
es in Afrikas größtem Flächenstaat fast immer irgendwo gebrannt.
Allein die Hauptstadt Khartum, wo Osama Bin Laden jahrelang
unbehelligt lebte, und die Wüsten südlich der ägyptischen Grenze
blieben weitgehend ruhig. Nur diese zwei Bereiche können bis heute
von Ausländern mit starken Nerven relativ gefahrlos bereist werden.
Groß waren 2005 die Hoffnungen auf dauerhaften Frieden, als der
muslimische Norden und der von Christen bewohnte Süden nach 22 Jahren
den längsten Einzelkonflikt im nachkolonialen Afrika beendeten.
Damals wurde eine Volksabstimmung über die Abspaltung des Südens für
den 9. Januar 2011 vereinbart. Dieses Referendum hat mit einem
99-Prozent-Votum der Südsudaner für Unabhängigkeit tatsächlich
stattgefunden. Das war ein erstaunlicher und für Afrika bislang kaum
glaublicher Vorgang. Allerdings: der Lackmustest für den
Friedensvertrag von 2005 steht noch bevor – am 9. Juli 2011 soll
Südsudan endgültig in die Unabhängigkeit entlassen werden. Im Mai
marschierte der Norden kurzerhand in die gemäß Vertrag dem Süden
zugeschlagene ölreiche Zentralprovinz Abyei ein. Die Besetzung könne,
so warnt Guido Westerwelle (FDP) schon seit Wochen, den gesamten
Friedensprozess um die Unabhängigkeit des Südsudan gefährden. Der
Bundesaußenminister sollte Recht behalten, konnte aber die weitere
Verschärfung des Konflikts nicht aufhalten Nördlich der künftigen
Grenze schüren Anhänger des Südens Unruhe. Prompt ließ der
international als Völkermörder gesuchte Präsident des Norden, Omar
al-Bashir, seine Hilfstruppen auf die Bevölkerung los. Man ist
versucht zu sagen, in diesen Breiten sei das immer so. Tatsächlich
sind mehr als 100 000 Frauen und Kinder im Grenzgebiet von Nord und
Süd auf der Flucht. Es gibt Bilder wie aus Darfur von
brandschatzenden Hilfstruppen, ähnlich jenen Dschandschawid, die seit
2003 in der Westprovinz 300 000 Menschen ermordeten und 2,5 Millionen
aus ihren Dörfern vertrieben haben. Aber auch die neue Führung im
Süden lässt für die Zukunft mehr Risiken als Chancen befürchten. Als
inkompetent und auch korrupt erweisen sich die neuen Beamten und
Militärs der Südstaatler. Gegen den auf chinesische Ölmilliarden
gestützten Bauwahn in der Nord-Metropole Khartum ist die künftige
Südhauptstadt Juba ein staubiges und unterentwickeltes Armenhaus. Die
westliche Welt muss sich sehr genau überlegen, wem sie ihre fest
zugesagten Hilfsgelder im neuen Staat anvertrauen kann. Noch
wichtiger ist es, ein gewaltfreies Miteinander von Nord und Süd zu
erreichen. So sehr die Bauern und Händler den Frieden herbeisehnen,
es gibt immer noch zu viele, die vom Unfrieden profitieren.
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