Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur 32-Stunden-Woche für Eltern

Nur 32 Stunden pro Woche sollen Eltern künftig
arbeiten, um mehr Zeit mit ihren kleinen Kindern zu verbringen,
findet Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Prima Idee, dürften
manche Eltern spontan äußern. Denn ihr Lohnausfall soll zum Teil
sogar aus Steuermitteln ausgeglichen werden. Doch Schwesigs Vorschlag
ist unbezahlbar. Und mehr Kinder wird er auch nicht bringen. Nicht
ohne Grund erteilte Bundeskanzlerin Merkel ihrer Familienministerin –
nur wenige Stunden nachdem die Nachricht auf dem Markt war – verbal
einen Rüffel. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einem
»persönlichen Debattenbeitrag« Schwesigs. Selbst die Sprecherin der
Ministerin ruderte zurück. Schwesig habe lediglich deutlich machen
wollen, in welche Richtung es langfristig gehen solle und ihre
»Vision« formuliert. Damit ist der Vorschlag vom Tisch, bevor er zu
Ende gedacht wurde. Genau da liegt das Problem. Wie der Lohnausgleich
bezahlt werden soll – diese Erklärung blieb Schwesig schuldig. Ein
Rechenbeispiel: Angenommen, beide Eltern einer vierköpfigen Familie
arbeiten in Vollzeit und verdienen jeweils 3400 Euro im Monat, was
nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in etwa dem
durchschnittlichen Monatsverdienst im Dienstleistungsbereich
entspricht. Netto bleiben jeweils etwa 2100 Euro übrig. Geht es nach
dem Wunsch der Ministerin, sollen Mutter und Vater ihre Arbeitszeit
um 20 Prozent reduzieren – das macht also 20 Prozent weniger Gehalt.
Vater und Mutter erhielten entsprechend 420 Euro weniger Gehalt.
Hochgerechnet aufs Jahr bedeutete dies pro Elternteil 5040 Euro, pro
Familie 10 080 Euro. Nun würde die Ministerin einwenden, dass nur ein
Teil des Lohnausfalls erstattet werden soll. Aber selbst bei einem
50-Prozent-Ausgleich, der wohl vorgesehen war, blieben 5040 Euro im
Jahr, die der Staat pro Familie ausgeben müsste. Zum Vergleich:
Kindergeld bekommen die Eltern dieser Familie lediglich 4416 Euro im
Jahr. Würde Schwesigs Vorschlag umgesetzt, müsste der Bund Milliarden
zahlen. Zahlreiche Firmen setzen bereits auf flexible Arbeitszeiten.
Auch die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu reduzieren, gibt es schon.
Die Ministerin will, dass die Deutschen wieder mehr Kinder bekommen.
Doch vielleicht sollte sie sich lieber fragen, warum in Deutschland
weniger Kinder geboren werden als anderswo. Womöglich macht vielen
Deutschen die Arbeit einfach Spaß. Vielleicht wollen sie Karriere
machen. Für ein Kind bleibt da oft keine Zeit. Manchmal fehlt auch
einfach der Mut, keine perfekte, sondern eine ganz normale Familie zu
sein. An diesen Menschen geht Schwesigs Vorschlag vorbei. Die
anderen, die ohnehin Kinder wollen, würden sich über das zusätzliche
Geld freuen. Aber an ihrer Entscheidung für ein Kind würde der
Lohnausgleich – ähnlich wie das Kindergeld – nichts ändern.

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