Ein Vater zwingt seine Kinder offenbar, aus dem 
sechs Meter hohen Dachfenster zu springen und nimmt ihren Tod in 
Kauf. Nordkoreas Führer Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump 
streiten in Kindergartenmanier darum, wer den größeren 
Atomwaffenknopf hat. Und die CSU in Person von Alexander Dobrindt 
ruft die Revolution aus. Die Nachrichten haben nichts miteinander 
gemein, aber gleichwohl sind alle drei verstörend zu Beginn des neuen
Jahres.
   Vor allem die Botschaft der CSU, wonach es fünfzig Jahre nach 1968
Zeit für eine bürgerlich-konservative Wende in Deutschland sei, muss 
hinterfragt werden. Dobrindt hat in einem ganzseitigen Gastbeitrag in
der Zeitung »Die Welt« die bürgerlich-konservative Wende gefordert. 
Sinngemäß käme die bürgerliche Mehrheit in Deutschland im linken 
Meinungsmainstream nicht mehr vor. Sie werde »dominiert« von einer 
»linken Meinungsvorherrschaft«. Schuld sei die »linke Revolution der 
68er« mit ihren »selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken 
Sprachrohren einer linken Minderheit« in »Schlüsselpositionen«. Nein,
diese Zitate stammen nicht von der AfD. Und, ja, liebe Leserinnen und
Leser, Sie haben alles richtig verstanden: Dobrindt beklagt 
tatsächlich die Übermacht der Linken in einem Land, das zuletzt 
jahrzehntelang – auch seit 1968 – durch die Union regiert wurde. 16 
Jahre Helmut Kohl, bislang 12 Jahre Angela Merkel – schon vergessen, 
Herr Dobrindt?
   Man fragt sich: Was hat der CSU-Politiker für ein Problem? 1968 
steht für einen Umbruch in der Gesellschaft, hin zu mehr 
Gleichberechtigung von Mann und Frau, für weniger Autoritätshörigkeit
und damit mehr Meinungsfreudigkeit und Demokratie. Daraus 50 Jahre 
später eine linke Übermacht herzuleiten, ist mehr als fragwürdig. 
Dobrindt und die CSU haben nicht nur ein Problem, sondern gleich 
mehrere: Im Herbst sind Landtagswahlen in Bayern. Da droht den 
Christsozialen der Verlust der absoluten Mehrheit. Das Rezept gegen 
die AfD ist die Abteilung »Attacke«. Das können die Bayern. Nur: Wie 
will die CSU die AfD bekämpfen, wenn sie deren Parolen teilweise 
einfach übernimmt? Und wie glaubwürdig ist es, selbst nach rechts 
rücken zu wollen, aber gleichzeitig »offen für eine Große Koalition« 
– Zitat Horst Seehofer – zu sein?
   Womit wir beim nächsten Problem der CSU wären: Angela Merkel. 
Dobrindts »Revolution« zielt auch in ihre Richtung und unterstreicht 
die Forderung nach einer konservativen Wende innerhalb der Union. Die
Frage ist, ob die bürgerliche Klientel in Bayern und in Deutschland 
eine Revolution will oder einfach nur eine glaubwürdige Politik. 1968
steht tatsächlich für eine Revolution. Dobrindts Ansinnen ist nur 
eine Revolte. Aus Angst vor der Wahl im Herbst.
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Andreas Kolesch
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