Visegrád ist eine Stadt in Ungarn, liegt an der
Donau und gibt der Visegrád-Gruppe den Namen. Das Bündnis von Ungarn,
Polen, Tschechien und der Slowakei besteht schon seit 1991. Und sein
Geist reicht noch weiter zurück: 1335 trafen sich in Visegrád die
Könige von Böhmen, Ungarn und Polen und betrieben Machtpolitik.
Der Ort hat also durchaus historisches Potenzial. Und in
historischen Dimensionen denken die Ministerpräsidenten der vier
ehemaligen Ostblockstaaten auch heute noch. Sie halten Angela Merkels
Flüchtlingspolitik für einen Jahrhundertfehler. Und zur Erinnerung:
Ungarns heutiges Staatsgebiet stand im 16. und 17. Jahrhundert unter
muslimischer Herrschaft des Osmanenreichs.
Die Regierungschefs der Visegrád-Gruppe, das sind aus Sicht der
Bundesregierung und der EU-Kommission so etwas wie die Bösewichte
Europas. Orban & Co. lehnen es rigoros ab, sich aus Berlin und
Brüssel irgendwelche Vorschriften bei der Aufnahme von Flüchtlingen
machen zu lassen.
Auf den Vorstoß der Bundeskanzlerin, die Verteilung von EU-Geldern
an die Solidarität in der Flüchtlingskrise zu knüpfen, reagiert die
polnische Regierung nach innen und nach außen. Während Europaminister
Konrad Szymanski vor »weitreichenden Folgen für die Einheit der
Union« warnt, spricht Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von
Polens Kompromissbereitschaft.
Ärger mit der EU bekommt Polen in erster Linie wegen der
umstrittenen Justizreform. In der Sache läuft ein
Rechtsstaatsverfahren. Auch Ungarn droht eine Strafe wegen
Vertragsverletzungen. Rechtliche Hebel bei der Verteilung von
Flüchtlingen hat Brüssel kaum. Solidarität kann in dieser von den
osteuropäischen EU-Ländern als existenziell angesehenen Frage nicht
verordnet werden.
Angela Merkel will anderen Staaten aufzwingen, was nicht zu
erzwingen ist: die Bereitschaft, das eigene Land mit Zuwanderung aus
fremden Kulturkreisen zu belasten. Dass Polen, Ungarn, Tschechien und
die Slowakei – und da sind sie nicht allein – vor allem keine
Muslime aufnehmen wollen, hat einen simplen Grund: Islamistische
Anschläge mit vielen Toten passieren in London, Brüssel, Paris,
Stockholm und Berlin – und eben nicht in Prag, Warschau, Budapest
und Bratislava. Das soll aus Sicht der Visegrád-Staaten auch so
bleiben.
Die EU und Deutschland wären gut beraten, wenn sie damit
aufhörten, die Osteuropäer wegen ihrer festen Haltung zu ächten. Was
würde es bringen, Migranten aus Afrika oder arabischen Ländern nach
Polen zu verteilen? Diese Menschen würden dort nicht leben wollen
und versuchen, nach Deutschland zu kommen. Deswegen kann es nur
darum gehen, die EU-Außengrenzen besser zu schützen und weniger
illegale Zuwanderung zuzulassen.
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