Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Euro-Krise

An nichts würde Europa lieber glauben als an
positive Zahlen aus Griechenland. Um des Landes und der Menschen
willen. Aber die bittere Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt,
dass Zurückhaltung und Nüchternheit Tugenden sind, wenn es um
Haushaltsdaten oder gar Reformversprechen der Hellenen geht.

Dass noch bei der letzten Überprüfung der Athener Politik gerade
mal 53 Prozent der zugesagten Maßnahmen übernommen worden waren, ist
ein Schlag ins Gesicht der Partner, die für die Rettung des Landes
eintreten. Anstatt den eigenen Staat zu sanieren, hat sich
Griechenland bemüht, die Troika als nicht demokratisch legitimierte
Diktatoren zu desavouieren. Man hätte die Kraft besser zur
Durchsetzung der Reformen verwendet. Der Widerstand der Führung gegen
Auflagen der Experten ist nicht nur banaler Ungehorsam.

Natürlich gehen die Einschnitte tief, sind schmerzhaft, treffen
viele zehntausend Menschen. Aber die hellenische Verwaltung zeigt
sich bis heute in einem Zustand, der jedes Interesse von Investoren
und Firmengründern zunichtemacht. Monate- und jahrelange
Genehmigungsverfahren, bei denen niemand weiß, wer nun gerade warum
nicht entscheidet oder wie viele Stempel noch fehlen – all das ist
Gift für ein Land, das einen Wiederaufbau braucht. Den Menschen
brechen die Jobs ja nicht weg, weil Brüssel das so verfügt hat,
sondern weil es sich um subventionierte Posten handelte, für die es
nie einen echten Bedarf gab. Die griechische Tragödie heißt nicht
Europa, sondern Athen. Denn dort wurden heilende Rezepte ignoriert,
Lösungen auf die lange Bank geschoben und Zusagen nicht eingelöst.

Man kann keinem Geldgeber verübeln, wenn er angesichts einer
solchen Situation, die sich viel zu langsam ändert, für immer neue
Forderungen taub wird und angeblichen Erfolgsmeldungen zunächst
misstraut. Dabei könnten die Athener Unterhändler doch nach vier
Jahren gemeinsamen Ringens mit den Euro-Partnern wissen, dass die
Währungsunion längst kein Verein mehr ist, den man mit ein paar
geschönten Daten über den Tisch ziehen kann.

Die griechische Regierung spielt ein doppeltes Spiel. Sie schiebt
die Schuld für Auflagen nach Brüssel ab, um sich selbst als
Schutzengel des Volkes präsentieren zu können. Dabei liegt das
Versagen allein bei denen, die gegenüber den EU-Kollegen heilige Eide
auf ihre Reformbereitschaft schwören, aber schon beim Rückflug
vergessen, was sie versprochen haben. Mit Verdrängung, Halbwahrheiten
und Wahlkampf-Getöse kommt das Land nicht auf die Beine. Dazu braucht
es eine entschlossene und verlässliche Regierung als Partner eines
Euro-Raums, der längst weiter über seinen Schatten gesprungen ist,
als es viele für richtig halten.

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Andreas Kolesch
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