Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur FIFA

Günter Hirsch sei Dank, jetzt darf man es
ungestraft schreiben: Der Internationale Fußballverband ist nicht
daran interessiert, Korruption in den eigenen Reihen aufzuarbeiten.
Beim ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofes klingt das
anders, in Juristendeutsch hatte er seinen Rückzug aus der
Ethikkommission so begründet: Bei ihm hätten »die Ereignisse der
letzten Wochen den Eindruck erweckt und gefestigt, dass die
Verantwortlichen der Fifa kein wirkliches Interesse daran haben, eine
aktive Rolle bei der Aufklärung, Verfolgung und Vorbeugung von
Verstößen gegen das Ethikreglement der Fifa zu spielen«. Fußballchef
Sepp Blatter tat überrascht und kritisierte, dass Hirsch nicht auf
Faktenlage argumentiere. Während Fußballer Freistöße trainieren,
perfektionieren Funktionäre Verdrängung. Denn nur so ist es zu
erklären, dass der 74-jährige Schweizer erst dann das Offensichtliche
für wahr erklärt, wenn sich Belege nicht mehr leugnen lassen. Der
Disput mit Hirsch aber hat schon mal indirekt eines bewiesen: Auch
Blatter weiß von Korruption in seinem Verband. In seiner
Wagenburgmentalität schießt Blatter, der eine dritte Amtszeit
anpeilt, weit über das Ziel hinaus. Auch Oberolympionike Jacques
Rogge bekommt sein Fett ab: Zu viele Königliche würden in der
Regierung des Sports sitzen und ihn nicht angemessen vertreten.
Autsch, dafür sieht er aber mindestens die Gelbe Karte.
Funktionärsfouls gibt es aber nicht nur international. Auch die
schwarz-rot-goldenen Vorturner zeigen gerne Attitüden, die man eher
in einer Bananen- als der Bundesrepublik vermutet. So verfolgte
DFB-Chef und Jurist Theo Zwanziger den Sportjournalisten Jens
Weinrich mit biblischem Zorn, weil der in einem Meinungsbeitrag
geschrieben hatte, Zwanziger sei ein »unglaublicher Demagoge«.
Zwanziger begründete sein Vorgehen mit dem Duden. Dort stehe, dass
das Wort Demagoge Volksverhetzer bedeute. Das Berliner Landgericht
sah es anders: »Dass Diktatoren demagogisch agieren mögen, führt
nicht dazu, dass derjenige, den man einen Demagogen nennt, mit einem
Diktator gleichzusetzen wäre.« Auch in der Affäre Kempter/Amerell
bewies Zwanziger nicht das Fingerspitzengefühl, dass man dringend
braucht, wenn es um eine vermeintlich sexuelle Affäre geht. Und aus
dem Wettskandal um Robert Hoyzer hat der größte Sportverband der Welt
offensichtlich auch nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Deshalb
hier zur Erinnerung: Ein Funktionär ist ein Beauftragter, kein König.
Ein Sportverband ist die Interessenvertretung der Athleten, kein
Reisebüro für Funktionäre ohne Funktion. Auch der Sport hält sich an
demokratische Regeln, wo die Stimme von Trinidad und Tobago genauso
viel zählt wie die deutsche. Von Funktionären Fairplay, also ein
Verhalten, welches über die Einhaltung von Regeln hinausgeht, zu
erhoffen, ist sicher zu viel verlangt. Aber die Blatters und
Zwanzigers sollten sich zumindest an die Regeln halten, die sie ihren
Verbänden gegeben haben.

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Andreas Kolesch
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