Seit drei Jahren wird in Europa gerettet – erst
Banken und neuerdings ganze Staaten. Beide Aufgaben sind noch nicht
erfüllt. Dabei steht die allergrößte Herausforderung noch bevor: den
Euro und die europäische Einheit vor dem Untergang bewahren. Sollte
dies nicht gelingen, sind außer der Währung auch Wohlstand, Freiheit
und Frieden nicht mehr sicher. Wer wird knickerig sein, wenn es um
solche Werte und Errungenschaften geht? Große Aufgaben erfordern
große Mengen Geld. Das war zum Beispiel bei der Deutschen Einheit so.
Und das wiederholt sich jetzt. Die Gefahr ist, dass selbst erfahrene
Politikerinnen und Politiker bei großen Geldmengen den Überblick
verlieren. Es ist wahr: Der Euro braucht ein solideres Fundament als
die hehren Versprechen im Maastricht-Vertrag, die, wenn es zum Schwur
kommt, doch nicht eingehalten werden. 700 Milliarden Euro – das
Volumen des neuen Krisenfonds – sind ein starkes Fundament. Immerhin
ist die Summe mehr als doppelt so groß wie der gesamte aktuelle
Bundeshaushalt. Anders als bei den bisherigen Versuchen,
Griechenland, Irland und Portugal zur Seite zu springen, fließt
diesmal außer Versprechen auch bares Geld. 22 Milliarden Euro aus
Berlin – das ist fast die Hälte der für dieses Jahr im Bundeshaushalt
insgesamt vorgesehenen Neuverschuldung. Da sie weiter an der
Obergrenze liegt, muss das Geld, wenn nicht unmittelbar, so doch in
den nächsten drei, vier Jahren an anderer Stelle eingespart werden.
Vor dem Hintergrund ist es alles andere als kleinlich, wenn Kanzlerin
und Bundesfinanzminister weiter darauf dringen, dass auch die
Gläubiger mindestens für einen Teil des Risikos, das sie der höheren
Zinsen wegen eingegangen sind, nun auch haften sollen. Viele
wünschten sich an Stelle der Kompromisse und immer neuer
Zahlungsverpflichtungen den einen großen Schnitt, der alle Probleme
auf einen Schlag lösen soll. Sie begründen dies damit, dass so den
griechischen und den europäischen Interessen am meisten gedient sei.
Doch das ist fraglich. Die Probleme für Athen würden im Gegenteil
zunehmen. Die griechische Industrie, die vielleicht profitieren
könnte, weil ihre Produkte billiger werden, spielt keine nennenswerte
Rolle. Die Staatsschulden aber blieben – Euro hin, Drachme her – real
auf dem bisherigen Niveau. Und dass Anleger und Ratingagenturen bei
einer nationalen griechischen Währung plötzlich weniger Zinsen
verlangten als beim Euro, ist auszuschließen. Aus
verhandlungstaktischen Gründen ist es richtig, dass Brüssel die
widerspenstigen Griechen zappeln lässt. Man kann Hellas– Zorn
verstehen. Nur wenige, die unter den Einschnitten leiden werden,
haben in der Vergangenheit von der unsoliden Haushaltspolitik
profitiert. Doch hier für einen Ausgleich zu sorgen, ist nicht
Brüssels Aufgabe. Europa wird Athen stützen. Es sieht aus wie
Flickschusterei, aber es geht um das Ganze. Aber auch die Griechen
müssen ihren Teil der Last schultern. Nationale Verständigung ist
Voraussetzung für europäische Solidarität.
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Andreas Kolesch
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