Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Frauenquote

Frauen brauchen keine Quote. Sie behaupten sich
ohne Schützenhilfe. Niemand will auf einem Chefsessel sitzen, weil
ein aufgezwungenes Zahlenspiel es verlangt. Frauen werden
Führungsetagen erobern. Weil sie gut sind. Nicht weil sie eine Quote
erfüllen. So dachte die Autorin dieser Zeilen einst – blanke Theorie.

Die Realität sieht anders aus. Die Selbstverpflichtung der
Wirtschaft, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, steht nur
auf dem Papier. Offenbar ist eine Quote das einzige, was diese
Unternehmen verstehen – ein trauriges Signal. Sie hatten lange Zeit,
sich zu bewegen. Es zeigt, dass viele nicht verstanden haben, dass
qualifizierte Frauen auch an die Spitze von Firmen gehören und nicht
ausgebremst werden dürfen. Das hat mit Feminismus nichts zu tun.
Fähige Kandidatinnen gibt es genug.

Was für Großkonzerne gilt, trifft aber auch für die meisten
kleinen und mittelständischen Unternehmen zu. Natürlich gibt es
einige Branchen, in denen weibliche Bewerber Mangelware sind. Das
sind aber eher Ausnahmen. In einer Vielzahl von Firmen herrscht
schlichtweg die Einstellung, dass Männer in Spitzenpositionen lieber
gesehen sind. Gegen diese Rückständigkeit käme auch nur eine Quote
an. Doch die wäre in kleinen Betrieben nicht machbar. Für diese muss
die Politik wohl noch ein anderes Druckmittel erfinden, bis sich
endlich in den Köpfen etwas ändert.

Bis das passiert werden erfolgreiche Frauen weiter Anfeindungen
ausgesetzt sein: Bekommen sie keine Kinder, wirft man ihnen
Familienfeindlichkeit vor. Haben sie welche, heißt es, Spitzenjob und
Kinder schadeten der Familie. Tatsächlich schadet es aber, wenn die
Wirtschaft Frauen als Randerscheinung im Arbeitsleben versteht, die
spätestens nach dem ersten Kind in der Mittelmäßigkeit versauern
statt in absoluten Toppositionen zu arbeiten.

Doch das Ausbremsen beginnt schon viele Stufen darunter. Teilzeit
ist ein Stolperstein für weibliche Karrieren auf mittlerem Niveau.
Damit sich das ändert, muss ein Sinneswandel her. Teilzeit ist
wertvoll. Vollzeit bedeutet nicht automatisch vollwertig. Zweieinhalb
Tage engagiert arbeiten ist oft für den Arbeitgeber bereichernder als
fünf Tage halbherzig.

Natürlich ist die Quote für Aufsichtsräte in gut 100
börsennotierten Unternehmen kein Allheilmittel. Der Radius ist viel
zu klein. Aber sie ist ein Anfang. Denn alle Bremser in Firmen müssen
damit rechnen, dass sie einst per Quote gezwungen werden, sich zu
bewegen. Undenkbar? Das haben die 100 Börsenunternehmen vor ein paar
Jahren auch noch gedacht.

Wie so oft beim Thema Frauen und Macht wird auch diesmal wieder
demonstrativ in die Klischeeschublade gegriffen. Unionsfraktionschef
Volker Kauder (CDU) fordert Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig
(SPD) auf, bei der Frauenquote nicht so »weinerlich« zu sein. Danke,
Herr Kauder! Wenn die Entscheidung für die Frauenquote nicht schon
gefallen wäre, müsste sie spätestens jetzt getroffen werden.

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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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