Am Ende war das Ergebnis klarer, als es viele
erwartet hatten: Die SPD-Mitglieder haben den Weg für eine neue Große
Koalition und die vierte Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) mit
einer deutlichen Mehrheit freigemacht. Das ist gut für unser Land und
sehr gut für den Kontinent.
Ohne eine stabile Bundesregierung und geordnete politische
Verhältnisse in der größten Volkswirtschaft wird Europa die
drängenden Aufgaben, die es reichlich gibt, kaum lösen können. Und:
Das Warten hat schon viel zu lange gedauert. Es ist höchste Zeit,
dass endlich regiert wird. Also: Danke, SPD! Danke und Respekt!
Respekt vor allem deshalb, weil die Krise der deutschen
Sozialdemokratie nun gewiss nicht zu Ende ist. Die Partei bleibt in
der Zwickmühle zwischen Staatsverantwortung und Selbstfindung. Das
war auch gestern im Willy-Brandt-Haus deutlich zu spüren. Die beinahe
gespenstische Stille nach der Ergebnisverkündung stand im
bemerkenswerten Kontrast zum frenetischen Jubel vom 24. September an
gleicher Stelle, als Martin Schulz das Ende der Großen Koalition und
den Gang in die Opposition ankündigte.
Und das nächste Dilemma wartet bereits: Die Entscheidung, wer für
die SPD in ein viertes Kabinett Merkel einzieht, dürfte neuen Ärger
bereithalten. Drei Frauen und drei Männer sollen es sein, eine
Mischung aus erfahrenen und neuen Köpfen – mehr wollte der
kommissarische Vorsitzende Olaf Scholz nicht sagen. Dabei birgt
allein die Personalie Sigmar Gabriel enorme Sprengkraft. Lässt die
Parteispitze den Außenminister fallen, dürfte das vielerorts
Kopfschütteln auslösen. Denn es gibt derzeit keinen beliebteren
SPD-Politiker im Land. Hält man aber an Gabriel fest, ist das eine
rückwirkende Billigung seiner unglaublichen Entgleisungen gegenüber
Schulz. Wenn die ununterbrochen geforderte Erneuerung der Partei auch
in Stilfragen gilt, dürfte das nur schwer zu vermitteln sein. Apropos
Erneuerung: Kein Begriff wird gegenwärtig mehr bemüht in der SPD. Die
Frage jedoch lautet: Was genau ist mit Erneuerung gemeint und wie
soll sie gestaltet werden?
Die Antwort ist bislang weitgehend unklar. Diese Unklarheit in ein
stimmiges Bild zu verwandeln, das nicht bloß der SPD, sondern auch
den Wählern gefällt, ist nun Aufgabe der Fraktionsvorsitzenden und
designierten Parteichefin Andrea Nahles. Ihr Wirken – innerparteilich
wie nach außen – wird für die Zukunft der SPD von existentieller
Bedeutung sein. Und alle, die an der Funktionsfähigkeit unseres
Parteiensystems interessiert sind, sollten ihr dafür Glück wünschen.
Mit ihrem Ja zur Großen Koalition hat die SPD den Tod als Volkspartei
fürs Erste vertagt. Gebannt aber ist diese Gefahr keinesfalls. Ein
Blick auf die Entwicklung der Schwesterparteien im europäischen
Ausland sollte Warnung genug sein.
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Andreas Kolesch
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