Indien riecht. Aromatisch nach exotischen
Gewürzen. Und stinkend nach Autoabgasen. Lieblich in den Tempeln nach
Blumenduft. Und gefährlich nach verbrannten Moscheen und Kirchen.
Modern nach Zement und neuer Farbe. Und modrig nach Unrat nicht nur
in der Nähe der Slums. Für manche Unternehmernase ist das zu viel der
Zumutung. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi, der sich gerade
zur Eröffnung der Hannovermesse erstmals in Deutschland aufhält, kann
dennoch selbstbewusst auftreten. Schließlich wächst die indische
Wirtschaft in diesem Jahr deutlich stärker als die große Konkurrenz
in China. Mehr als 900 Millionen der 1,3 Milliarden Einwohner Indiens
sind jünger als 30 Jahre. Das Land bildet jährlich 700 000 Ingenieure
aus. Um die Jugend ins Arbeitsleben zu integrieren, muss die indische
Wirtschaft jährlich um acht Prozent wachsen. Insbesondere
ausländische Unternehmen trauen Modi zu, dass er das schafft. Seit
der Ermordung Rajiv Gandhis 1991 ist kein indischer Premier von der
Wirtschaft mit so viel Vorschusslorbeer im Amt begrüßt worden wie vor
nun elf Monaten der Führer der hindunationalistischen Partei BJP.
Als erste Maßnahmen hat er die Senkung der Unternehmenssteuern und
die Beseitigung von Investitionshemmnissen in Angriff genommen. Dabei
braucht die Regierung die Steuereinnahmen dringend, um die
Infrastruktur – Energie, Verkehr – zu modernisieren. Investitionen
erleichtern will Modi, indem er insbesondere den Minderheiten, aber
auch einfachen Bauern Land wegnimmt. Das hat schon zu Spannungen
innerhalb der BJP und dazu geführt, dass er die erste große
Regionalwahl in der Hauptstadt Delhi unerwartet deutlich verloren
hat. Der Mann der Wirtschaft entfernt sich vom Volk.
Indien nennt sich mit gutem Recht die weltgrößte Demokratie. Wie
lange werden es die Wähler da ertragen, dass Meinungsrechte
eingeschränkt werden? Gerade hat das Oberste Gericht ein umstrittenes
Internet-Zensurgesetz gekippt. Die Regierung hielt das nicht ab, die
Ausstrahlung des Dokumentarfilms »India–s Daughter« (Tochter Indiens)
zu verbieten. Darin haben Journalisten des britischen Senders BBC die
Ursachen und Umstände der landes- und weltweit Aufsehen erregenden
Vergewaltigung einer indischen Frau im Dezember 2012 in einem Bus in
Delhi dokumentiert. Weiter wurde kürzlich erst im Staat Uttar Pradesh
ein Teenager festgenommen, weil er auf Facebook einen Minister
kritisiert hatte.
Überraschen dürfte dieses demokratiefeindliche Verhalten Modis
nicht. Als Landeschef im Staat Gujarat ließ er 2002 zu, dass nach
einem blutigen Terroranschlag etwa tausend unschuldige Muslime
umgebracht wurden.
Narendra Modi hat einiges mit Wladimir Putin gemeinsam. Wie
Russlands Präsident strotzt er vor Selbstbewusstsein – und
unterdrückt die Opposition. Er lockt mit großem Aufwand
unternehmerisches Kapital – will aber Nichtregierungsorganisationen,
die nicht der BJP nahe stehen, die Annahme verbieten.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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