70 Nazi-Demonstranten, aber hundert mal mehr 
Demokraten, die sich quergestellt haben: Fast sieht es so aus, als 
habe Bielefeld an Heiligabend mit Kanonen auf Spatzen geschossen. 
Oder, um es etwas schärfer zu formulieren: auf Spatzengehirne. Doch 
diese Überzahl war notwendig. Nur so wurde der riesige Abstand 
zwischen denen, die schon wieder mit den Parolen von vorgestern gegen
Minderheiten hetzen, und der übergroßen Mehrheit der ostwestfälischen
Bevölkerung deutlich. Die eindrucksvollen Bilder von den 
Gegendemonstranten sind ein Zeichen nach außen: In Bielefeld und OWL 
sind Nazis unerwünscht. Schließlich war schon vorher klar, dass 
überregionale Medien die Reaktion der Bevölkerung auf die Provokation
der Ultrarechten ausgerechnet an Heiligabend genau beobachten würden.
Die große Zahl der Demokraten ist aber auch ein Zeichen an die hier 
lebenden Minderheiten: Wir können Gewalt vielleicht nicht in jedem 
Fall verhindern. Aber wir lehnen diese Gewalt entschieden ab. Und wir
lassen euch nicht allein. Die Nazis hatten gezielt ein Stadtviertel 
für ihre Kundgebung ausgewählt, in dem verhältnismäßig viele 
Zuwanderer wohnen. Ihr klägliches Gebrüll ging jedoch in den »Nazis 
raus«-Rufen unter. Nicht zuletzt war die eindrucksvolle 
Gegendemonstration auch ein Zeichen nach innen. Egal ob Protestanten,
Katholiken oder Nichtgläubige, ja sogar egal ob Juden oder Muslime, 
egal ob Christdemokraten, Sozialdemokraten oder Grüne, ob Unternehmer
oder Gewerkschafter, ob Lehrer oder Schüler, ob Menschen mit 
nichtdeutscher Staatsangehörigkeit oder Nachfahren von Hermann dem 
Cherusker: Wenn es darauf ankommt, steht die Bevölkerung zusammen.  
Und gegen Neonazis kommt es unbedingt auf die Solidarität der 
Mehrheit an. Nicht zuletzt hat das Bundespräsident Christian Wulff in
seiner Weihnachtsansprache deutlich gemacht. Leider wird 2011 als das
Jahr in Erinnerung bleiben, in dem eine Nazi-Bande der Ermordung von 
zehn Menschen überführt wurde. Hinzu kommen viele einzelne Übergriffe
auf Zuwanderer, Asylbewerber, Obdachlose oder einfache Bürger, die 
sich Gruppen von Schlägern entgegenstellten. Allein ist jeder mehr 
oder weniger hilflos. Doch wenn sich Tausende querstellen, haben die 
Nazis keine Chance. Nun waren da aber linke Gewaltbereite, die aus 
der Demonstration herausgingen und die direkte Auseinandersetzung mit
den Neonazis suchten. Die Sicherheitskräfte haben schnell reagiert 
und Böses verhindert. Dafür gebührt ihnen Dank. Und natürlich dafür, 
dass sie an Heiligabend ihren Dienst versahen. Viele Priester, die 
trotz Heiligabend an der Gegendemonstration teilgenommen haben, haben
in Bielefeld in den anschließenden Gottesdiensten einen Bogen zu dem 
Kind in der Krippe geschlagen. Dessen Botschaft darf nicht in den 
Kirchenmauern eingeschlossen bleiben. Selten klang das »O du 
fröhliche« lauter und befreiter als an Heiligabend vor dem 
Bielefelder Hauptbahnhof. Für Christen war dies wirklich ein heiliger
Abend.
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