Keine Gesichter und kein Parteiprogramm, aber
ein rasanter Höhenflug: Die FDP und die Linken lässt die
Piratenpartei bereits hinter sich, und jetzt ist es nur noch ein
Schritt, bis sie die Grünen überholt. Und jede Meinungsumfrage trägt
zu einem weiteren Schub für die 2006 gegründete Gruppierung bei. Die
Nicht-, Wechsel- und Protestwähler, die noch unentschlossen sind,
sehen, dass sie mit ihrem Zweifel nicht allein sind. Der Wunsch nach
Neuem und das Versprechen totaler Transparenz kommen beim Wähler an.
Jetzt sind es zwölf Prozent, die im Bund den Piraten ihre Stimme
geben wollen. Nach der Ukraine könnte nun auch Deutschland eine
orangene Revolution erleben. Damit nehmen alle Rechenspiele der
sogenannten Etablierten einen ungewissen Ausgang. Auch Hannelore
Kraft sollte noch keine Wette auf eine rot-grüne Mehrheit nach den
Landtagswahlen in NRW abschließen. War es bisher die Linkspartei, so
könnten es nach dem 13. Mai die Piraten sein, die Mehrheiten
erschweren. Das Fatale für die großen Parteien: Sie wissen nicht, wie
sie den neuen Gegner packen können. Noch gleicht die Piratenpartei
einem Wackelpudding, der nicht an die Wand zu nageln ist. Daran
ändert auch das Grundsatzprogramm der Gruppierung nichts.
Ursprünglich ging es bei den Piraten um Internet-Themen wie ein neues
Urheberrecht. Inzwischen fordern sie ein bedingungsloses
Grundeinkommen für alle und die Freigabe von Drogen. Doch wie wollen
die Piraten diese Themen durchsetzen, wenn sie zugleich dem einzelnen
Abgeordneten mehr Freiheit bei der Abstimmung zubilligen wollen?
Bisher ist es so, dass dem Wähler viel versprochen wird, und er in
den Jahren nach der Stimmabgabe oft enttäuscht wird. Bei den Piraten
ist es anders: Sie versprechen nichts, also darf sich später niemand
darüber beklagen, dass er sich getäuscht fühlt. Richtig ist, dass
eine starre Fraktionsdisziplin den einzelnen Abgeordneten zum
Stimmvieh degradiert. Andererseits erhalten die Parlamente erst so
die notwendige Arbeitseffektivität. Wenn ich Piraten wähle, weiß ich
nicht immer, welche Politik diese Abgeordneten umsetzen. Denn auch
das ist Ziel der Piraten, dass sie nicht nur Utopien entwerfen,
sondern sie umsetzen wollen. Nur mit wem? Die SPD will mit den Neuen
immerhin sprechen. Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann bläst
zur Attacke. Heiner Geißler und Peter Altmaier von der CDU sprechen
den Piraten jede Koalitionsfähigkeit ab. Vor 30 Jahren wurde so über
die Grünen geredet. Wenn die Piraten erst einmal Verantwortung
übernehmen für eine Rentenkürzung, eine Steuererhöhung, über einen
gefährlichen Bundeswehreinsatz oder über Euro-Rettungspakete, wird
sich das Schicksal der Neuen entscheiden: entweder sie schwimmen mit
den anderen oder sie gehen unter.
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