Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur schwarz-gelben Koalition

»Und wenn ich mal nicht weiter weiß, dann gründ–
ich einen Ar- beitskreis.« Dieses selbstironische Motto stammt zwar
nicht aus dem jüngsten Koalitionsausschuss, passt aber trotzdem.
Irgendein Fortschritt in irgendeiner Sache? Fehlanzeige. Die Spitzen
von CDU, CSU und FDP haben weder zum Thema Rente noch zur
Energiewende und auch zu keiner der anderen Fragen, die das Land
wirklich beschäftigen, einen Plan, wie es vorangehen könnte. Es ist
geradezu läppisch, dass die Vorfestlegung des Bundestagswahltermins
herhalten musste, um überhaupt etwas Greifbares vorweisen zu können.
Blöd nur: Dass wir am 22. September an die Wahlurnen gerufen werden
sollen, war erstens nicht mehr neu, und zweitens hätte es dazu den
Koalitionsgipfel vom Donnerstag nicht gebraucht. Nur weil die
schwarz-gelbe Not so groß ist, wurde am Mittwoch im Kabinett auf den
eigentlich dort vorgesehenen Beschluss verzichtet. Dabei hätten Union
und FDP die Wahl wahrscheinlich viel lieber auf den 22. Februar
vorgezogen, wenn sie es denn gekonnt hätten. Zwar hängen die
Liberalen im Bund unter der Fünf-Prozent-Hürde fest, aber das hatte
zuletzt ja selten etwas zu bedeuten. Und dank einer – zumindest in
den Umfragen – starken Union bleibt aktuell eine Neuauflage von
Schwarz-Gelb weiter möglich. Diese von den Demoskopen verheißene und
allein deshalb mit Vorsicht zu genießende Aussicht – schließlich war
die Fehlerquote der Branche zuletzt beachtlich – steht im krassen
Widerspruch zu den realen Aussichten aufs Regieren. Will heißen:
Besser muss die Situation nicht unbedingt werden für Union und FDP.
Mindestens für den Rest dieser Legislaturperiode ist die Lage nicht
nur ernst, sondern fast hoffnungslos. Dank des knappen Erfolges in
Niedersachsen und der so errungenen Gestaltungsmehrheit im Bundesrat
ist Rot-Grün endgültig von der Opposition zur Nebenregierung
geworden. So können sich beide Lager beinahe nach Belieben blockieren
– was sie auch kräftig tun, obwohl sie eifrig das Gegenteil
behaupten. Viel geht nicht mehr, der Wahlkampf droht lang zu werden.
Stillstand trifft alle politischen Akteure. Doch hat die Opposition
damit im Zweifel weit weniger Probleme als die Regierung, die nicht
nur an ihren Worten, sondern an ihren Taten oder eben ihren
Nichttaten gemessen wird. Das Hauptproblem dieser Regierung waren
aber nie die widrigen Umstände. Sie sind es auch jetzt nicht. Das
Hauptproblem dieser Koalition war und ist sie selbst.
Christdemokraten, Christsozialen und Liberalen fehlt der Respekt
voreinander, und ihnen fehlt eine Leitidee für das Miteinander. So
regierte Schwarz-Gelb von Anfang an aus der Defensive, in der man nun
auch objektiv angelangt ist. Und nach allem, was in den vergangenen
drei Jahren passiert ist, scheint nur schwer vorstellbar, dass sich
daran in den kommenden acht Monaten noch etwas ändert.

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