Das schreckliche Attentat im US-Bundesstaat 
Arizona war vorauszusehen. Wo Verleumdungen, Beleidigungen und 
Hetzreden im politischen Diskurs erlaubt sind, kann Hass leicht in 
Gewalt umschlagen. Die Toten und Verletzten von Tucson sind Opfer 
einer politischen Kultur, die das Recht auf Freiheit allzu radikal 
und uneingeschränkt missbraucht. Wenn sich die Presse-, Meinungs- und
Demonstrationsfreiheit ohne die Schranken von Anstand und Moral 
austoben, entsteht ein Klima von Gewalt und Intoleranz, das der 
Demokratie und der Freiheit schadet. Amerikas politische Atmosphäre 
wird zunehmend grobschlächtig und gewalttätig. Politische Gegner 
können ungestraft diffamiert, beleidigt und verleumdet werden. Gegner
der Obama-Regierung bezeichnen den Präsidenten als »Faschisten, 
Kommunisten, Terroristen, Stalinisten oder Islamisten«, ohne zur 
Verantwortung gezogen zu werden. Die potentielle Republikanische 
Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin zielt auf ihrer Facebook-Seite
auf die Demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords durch ein 
Fadenkreuz und fordert die Leser auf, »nicht wegzugehen, sondern 
nachzuladen!« Das ist ein Aufruf zum Mord, den man »metaphorisch« 
verstehen kann, der aber Frau Giffords in Tucson fast das Leben 
gekostet hätte. Die Vertreter der zügellosen Meinungsfreiheit berufen
sich auf die US-Verfassung und die Grundrechte. Seitdem ein 
US-Gericht politische Verleumdungen durch die »Meinungsfreiheit« 
deckt, wird der Ton immer aggressiver. Radio-Talker und 
Internet-Blogger können millionenfach lügen, beleidigen und Gewalt 
androhen und jede Aufwiegelung mit den Grundfreiheiten rechtfertigen.
Der Aufschrei, der seit der Wahnsinnstat von Tucson durch Amerika 
geht, zielt auch auf den Missbrauch der verfassungsrechtlich 
garantierten Freiheiten. Sarah Palin bietet sich als Sündenbock an: 
Immerhin hat sie 20 politische Gegner als »Zielscheibe« bezeichnet – 
unter anderem auch die Abgeordnete Giffords. Deren Wahlbüro war 
voriges Jahr verwüstet worden, weil sie für Präsident Obamas 
Gesundheitsreform gestimmt hatte. Der Demokratischen Politikerin war 
aufgefallen, dass Sarah Palin sie ins Fadenkreuz gestellt hatte. »Wer
sich derart leichtfertig verhält«, hatte sie gewarnt, »muss die 
Konsequenzen seiner Taten verantworten«. Nun hat sich Palin 
entschuldigt und die Webseite bereinigt – zu spät. Sollte die 
Wahnsinnstat von Tucson eine positive Wirkung haben, dann diese: 
Amerika muss aufhören, seine Freiheit mit vielen unschuldigen Opfern,
Verletzten, Verleumdeten und Beleidigten zu bezahlen. Es gibt eine 
Freiheit, die Sitte, Anstand, Wahrhaftigkeit und Charakterstärke 
voraussetzt. Jetzt kommt es darauf an, die hemmungslosen Hetzer und 
Lügner in die Schranken zu weisen und dem politischen Diskurs in 
Amerika seine Würde zurückzugeben. Das ist auch eine wichtige Aufgabe
für Präsident Obama.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261