Sieben Monate ist es her. Damals erschien eine 
Mutter bei der Polizei Bad Pyrmont und gab an, ihre Tochter sei auf 
dem Campingplatz »Eichwald« missbraucht worden. Viel ist passiert 
seitdem. Missbrauchsfälle ungeahnten Ausmaßes kamen ans Licht. Und 
Pannen. Denn schon 2016 wussten Jugendämter und Polizeibehörden von 
einem Verdacht gegen Andreas V. – aber konsequent ermittelt wurde 
nicht. Und auch jetzt ging die Pannenserie weiter: Die kleine 
lippische Polizei wollte den Fall unbedingt  alleine klären und
scheiterte. Kinder wurden von unqualifizierten Beamten befragt, 
Datenträger von einem Polizeischüler ausgewertet, Beweise 
verschwanden. Der Kripochef und der Leiter der Polizei Lippe mussten 
gehen. Die Pannen, die juristisch und disziplinarrechtlich 
aufgearbeitet werden, sind die eine Seite. Die andere und wichtigere 
aber ist, dass es dutzenden Polizisten und zwei engagierten 
Staatsanwältinnen gelungen ist, die Ermittlungen in diesem monströsen
Fall mit mindestens 41 Opfern in vergleichsweise kurzer Zeit mit 
einer ersten Anklage teilweise abzuschließen. Mit einer, so hört man,
soliden Anklage, die in weiten Teilen auf den oft mit viel Geduld 
gewonnenen Angaben der Opfer fußt.  Die Arbeit war nicht 
einfach – nicht nur, weil es belastend ist, missbrauchte Mädchen und 
Jungen zu befragen oder sich über Monate Fotos und Videos von 
Kindervergewaltigungen anzusehen. Auch der Druck von oben war groß. 
Nie zuvor hat eine Ermittlungskommission in NRW so unter einem 
Brennglas arbeiten müssen – beäugt von einem Innenminister, der Angst
vor neuen Pannen hatte. Beäugt von der Opposition, die auf Pannen 
lauerte, um sie dem Minister anzuhängen. Und behindert von der ein 
oder anderen kruden Ermittlungsidee aus dem Ministerium. Der Leiter 
der EK »Eichwald« musste nicht nur den Überblick über die Arbeit 
seiner Kollegen behalten, er musste auch ständig nach Düsseldorf 
berichten – ein Höllenjob. Die Transparenz, die Innenminister Herbert
Reul (CDU) versprochen hatte und praktizierte, führte zuletzt sogar 
zu der grotesken Situation, dass sich ein Oppositionspolitiker 
öffentlich beklagte, weil ihm ein bestimmtes Ermittlungsdetail noch 
nicht bekannt war. Was für ein Irrsinn! Nicht unbeeindruckt, aber 
wohl unbeirrt von den politischen Ränkespielen zogen die Frauen und 
Männer der EK »Eichwald« ihre Ermittlungen durch – mit großem 
Einsatz, manche auch mit persönlichen Entbehrungen. Denn etliche 
Beamte anderer Behörden, die zur Unterstützung nach Bielefeld 
geschickt wurden, schliefen die Woche über in Hotels, getrennt von 
ihren Familien, über Monate. Auf bis zu 10.000 DIN-A4-Seiten schätzen
Polizisten den Umfang der Akten im Fall Lügde, und sie ermitteln 
weiter. Trotzdem ist die Fertigstellung der ersten Anklage jetzt eine
Zäsur – und Anlass, das Engagement der Ermittler auch mal zu loben.
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