Der bedeutende Historiker Hans-Ulrich Wehler
(82) aus Bielefeld hält auch 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten
Weltkriegs einen militärischen Konflikt auf dem Balkan für möglich.
„Bei Serbien und dem Kosovo bin ich hyperskeptisch. Die Serben
spielten im Vorfeld des Ersten Weltkriegs eine schlechte Rolle. Sie
haben ein Staatsgebilde hinterlassen, das völlig zerrüttet ist. Die
Drohgebärde, das Kosovo nicht anzuerkennen, bewegt sich immer
haarscharf am Rande des Konfliktes. Den Serben traue ich jederzeit
zu, dass sie mit geheimen Milizen die Serben im Kosovo in
Bosnien-Herzegowina unterstützen“, sagte Wehler dem Bielefelder
WESTFALEN-BLATT (Samstagsausgabe).
„Das sind arge Vermutungen, aber beim nächsten Konflikt darf
Europa nicht auf einen Mann wie seinerzeit Bill Clinton warten,
sondern muss selbst schnell militärisch eingreifen“, so der
renommierte Historiker weiter. Der Erste Weltkrieg wäre vermeidbar
gewesen, wenn sich die Großmächte während der Juli-Krise 1914 besser
verständigt hätten.
„Der damalige Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hätte
zum Beispiel den britischen Außenminister Edward Grey kontaktieren
können, um an die gemeinsame Schlichtung der beiden Balkankriege zu
erinnern“, meint Wehler, denn der Mord an dem österreichischen
Thronfolger war kein Grund für einen Krieg zwischen Großmächten.
Außerdem hätte Kaiser Wilhelm II. seinem Vetter, dem russischen
Zaren, eine Regelung vorschlagen und von der Teilmobilmachung
abhalten können.
„Bis auf die letzten Tage während der Juli-Krise 1914 war die die
Phase vor dem Kriegsausbruch nicht so zugespitzt, als er hätte nicht
vermieden können. Das ist ja das Schreckliche“, so Wehler.
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