Westfalen-Blatt: In einem der größten Fälle von Umweltkriminalität in Deutschland, dem PFT-Skandal, stehen von Donnerstag an in Paderborn sechs Angeklagte vor Gericht.

Prozessbeginn in einem der größten Fälle von
Umweltkriminalität in Deutschland: Im PFT-Skandal müssen sich von
Donnerstag an sechs Angeklagte vor dem Landgericht Paderborn
verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, aus Industriemüll, der die
giftige Chemikalie PFT enthielt, Bio-Dünger hergestellt zu haben.
Äcker und Gewässer wurden verseucht. In NRW waren vor allem Felder in
den Kreisen Soest und Paderborn betroffen. Der Prozess soll bis Ende
des Jahres dauern. Das berichtet das Bielefelder Westfalen-Blatt
(Samstags-Ausgabe). Den Angeklagten werden Boden- und
Gewässerverunreinigung im besonders schweren Fall sowie unerlaubter
Umgang mit gefährlichen Abfällen vorgeworfen. Sie sollen giftigen
Industriemüll, der PFT (perfluorierte Tenside) enthielt, geliefert
und in den inzwischen insolventen Firmen GW Umwelt in Borchen (Kreis
Paderborn) und Terravital in Bleicherode (Thüringen) zu 250 000
Tonnen Biodünger verarbeitet haben. PFT steht in Verdacht,
krebserregend zu sein. Der angebliche Bio-Dünger wurde an Landwirte
verkauft und auf weit mehr als 1000 Felder in Nordrhein-Westfalen,
Hessen und Niedersachsen ausgebracht. Die verunreinigten Felder und
Gewässer mussten aufwändige saniert werden, schreibt die Zeitung.
Von den Ackerflächen gelangte PFT über angrenzende Bäche in die Möhne
und von dort in die Ruhr. Das damals vom Wasserwerk Möhnebogen
gewonnene Trinkwasser war für die Ernährung von Säuglingen und zum
regelmäßigen Verbrauch für Schwangere nicht mehr verwendbar. Zudem
sollen giftige Klärschlämme an Bauern aus Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern abgegeben worden sein. Der 41 Jahre alte
Geschäftsführer der Firmen GW Umwelt und Terravital, Ralf W. (41),
sieht sich zudem Schadensersatzforderungen des Landes NRW, des
Hochsauerlandkreises, der Stadtwerke Arnsberg und des Ruhrverbandes
in Höhe von mehr 3,7 Millionen Euro ausgesetzt, berichtet das
Westfalen-Blatt. Der Hochsauerlandkreis fordert 2,5 Millionen Euro
für die Sanierung einer Fläche in Brilon-Scharfenberg, die Stadtwerke
Arnsberg für neue Filteranlagen im Wasserwerk Möhnebogen 1,2
Millionen Euro. Für diese Investition seien 38 000 Kunden durch die
Erhöhung des Wasserpreises zur Kasse gebeten worden, sagte
Stadtwerkegeschäftsführer Ulrich Midderhoff der Zeitung. Das
Landgericht Arnsberg habe die Entscheidung in diesem Zivilprozess
zurückgestellt, bis im Strafprozess ein Urteil falle. Dies trifft
auch auf den Schadenersatz für aufwändige Messungen in Höhe von 75
000 Euro zu, den der Ruhrverband (Eigentümer von acht Talsperren und
70 Kläranlagen) angemeldet hat, schreibt das Westfalen-Blatt. Der
Hochsauerlandkreis hat insgesamt sieben Verfahren gegen Ralf W.
angestrengt. Nach ersten Beschlüssen des Verwaltungsgerichtes
Arnsberg werde über die entsprechenden Zahlungsbescheide in Höhe von
2,5 Millionen Euro jetzt in der Berufungsinstanz, dem
Oberverwaltungsgericht Münster, entschieden, sagte Kreissprecher
Martin Reuther der Zeitung. 80 Prozent der 2,5 Millionen Euro habe
das Land NRW bezahlt. Die Summe von 2,5 Millionen Euro könne sich
noch erhöhen, da die laufenden Kosten bislang nur für fünf Jahre
berechnet worden seien. Außer Ralf W. stehen in Paderborn der
Betriebsleiter der Firma GW Umwelt, Martin A. (41), ein Mitglied des
Vorstandes (35), zwei Produktmanager (42 und 52 Jahre alt) und eine
31-jährige Mitarbeiterin der belgischen Firma Orinso aus Mechelen vor
Gericht. Das Verfahren gegen den zunächst ebenfalls angeklagten
ehemaligen Rechtsanwalt Eckhard S. (51) aus Brilon wegen versuchter
Strafvereitelung ist gegen Auflage eingestellt worden, heißt es in
dem Zeitungsbericht. Der Ex-Anwalt muss 40 Stunden gemeinnützige
Arbeit leisten. Ihm war vorgeworfen worden, Beweismittel versteckt zu
haben, um eine Bestrafung seines damaligen Mandaten Ralf W. zu
verhindern. Nach der Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Oliver
Brendel von der Staatsanwaltschaft Bielefeld sollen die Firmen GW
Umwelt und Terravital von März 2003 bis März 2006 von dem Unternehmen
in Belgien und von zwei Firmen aus den Niederlanden giftigen
Industriemüll bezogen und daraus den angeblichen Bio-Dünger
»Terrafarm« zur Bodenverbesserung hergestellt haben. Die giftigen
Industrieabfälle, die PFT enthielten, sollen als Rückstände aus der
Lebensmittelindustrie falsch deklariert worden sein. Für diese
illegale Entsorgung soll GW Umwelt vier Millionen Euro kassiert
haben.

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Andreas Kolesch
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